Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstständiges Beweisverfahren, Streitwertfestsetzung, selbständiges Beweisverfahren, Mängelbeseitigungskosten, Erfüllungsverweigerung, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vertragsauslegung, Kostenentscheidung, Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Sachverständigengutachten, Verweigerung der Nacherfüllung, Prozessbevollmächtigter, Anschlussberufung, Treuwidrigkeit, Kostenvorschussanspruch, Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung, Verweigerung der Mängelbeseitigung, Ergänzungsgutachten
Leitsatz (amtlich)
1. Art und Umfang einer zu erbringenden Werkleistung bestimmen sich durch den geschlossenen Vertrag. Gehört zu diesem Vertrag nicht nur ein Raumbuch, sondern auch das Bieterprotokoll eines Bietergesprächs, ist dieses Protokoll Vertragsgegenstand.
2. "Optimieren" bedeutet, dass der Auftragnehmer durch Nachjustierung von Kleinigkeiten mit weniger Aufwand das gleiche Ergebnis erreichen kann.
3. Vereinbaren die Parteien wegen bei der Abnahme vorbehaltener Mängel die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens, kommt der Auftragnehmer nicht schon vor der Beendigung des Beweisverfahrens mit der Mängelbeseitigung in Verzug.
4. Bietet der Auftragnehmer nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens eine Mängelbeseitigung an, kommt er nicht in Verzug, wenn der Auftraggeber die angebotene Mängelbeseitigung ablehnt.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 26.02.2020; Aktenzeichen 18 O 9535/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 26.02.2020, Az. 18 O 9535/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelfer zu tragen mit Ausnahme der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, welche die Beklagte trägt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten und ihrer Streithelfer durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder ihre Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 420.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt vor allem Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung. Durch GU-Vertrag vom 15.11.2007 (Anlage K 1) beauftragte die Klägerin die Beklagte zu einem Pauschalpreis und unter Einbeziehung der VOB/B mit der Errichtung eines Bus- und Lkw-Servicebetriebs nebst Außen- und Freianlagen, den die Firma M. T. & B. Deutschland GmbH als Mieterin nutzen sollte und jetzt auch nutzt. Das vereinbarte Leistungssoll für die Dächer ergibt sich aus dem Raumbuch-Hochbau (Anlage K 2).
Wegen wesentlicher Leistungsdefizite brachen die Parteien eine Abnahmebegehung am 01.07.2008 ab, ebenso eine erneute Abnahmebegehung am 11.07.2008. Dabei vereinbarten die Parteien die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens auf Kosten der Beklagten (Anlage B 5). Etwa 10 Jahre später nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens forderte die Klägerin unter anderem durch Schreiben vom 07.02.2018 unter Fristsetzung die Beklagte zur Nacherfüllung auf. An den fehlerhaften Lichtbändern besserte die Beklagte nach, im Übrigen besserte sie nicht nach. Wegen der nach Behauptung der Klägerin verbliebenen 10 Baumängel, vor allem Befestigung der Dachhaut, Linienbefestigung der Folienabdichtung und Ausführung der Wärmedämmung, fordert sie Vorschuss von 340.000 EUR netto zuzüglich 51.000 EUR netto für Planung und Überwachung.
Die Beklagte tritt dem entgegen. Die Klägerin habe eine angebotene Mangelbeseitigung abgelehnt. Der Dachaufbau sei nicht fehlerhaft, ein Komplettaustausch nicht erforderlich und jedenfalls unverhältnismäßig. Bei den Kosten für Planung und Überwachung handle es sich um "Sowieso-Kosten". Hinsichtlich der Dachabdichtung werde die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat sachverständig beraten und unter Verwertung des selbständigen Beweisverfahrens eine vom Vertragssoll abweichende Ausführung der Windsogsicherung festgestellt und die Beklagte zu einem Vorschuss in Höhe von 309.062,50 EUR verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten folge nicht aus dem Bieterprotokoll (Anlage B 4). Der Komplettaustausch stelle den sichersten Weg dar, so dass die Klägerin ihn fordern dürfe. Abweichend vom Raumbuch sei die Wärmedämmung nur einlagig statt zweilagig ausgeführt. Eine Änderung des vertraglichen Leistungssolls folge nicht aus der Freigabe von Plänen durch die Klägerin. Wegen dieser und weiterer Mängel habe die Klägerin am 07.02., am 22.03. und am 09.05.2018 ordnungsgemäß zur Mangelbeseitigung aufgefordert. Die Klägerin habe keine angebotene Mangelbeseitigu...