Entscheidungsstichwort (Thema)
Einspeiseentgelt
Leitsatz (amtlich)
Ein Kabelnetzbetreiber, der Programme einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt auf Grund rundfunkrechtlicher Verpflichtungen in sein Netz einspeist, hat gegen die Rundfunkanstalt keinen Anspruch auf Abschluss eines Vertrags, der für die Einspeisung ein Entgelt vorsieht.
Normenkette
RStV § 52b; BayMG Art. 36; GWB § 1; BGB §§ 138, 242, 826
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 25.04.2013; Aktenzeichen 17 HK O 16920/12) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 25.4.2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des LG sind im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt für die Weiterleitung ihrer Programme durch Kabelnetzbetreiber ein Entgelt zahlen muss.
Die Klägerin betreibt Breitbandkabelnetze u.a. auf dem Gebiet des Freistaats Bayern. Rundfunksignale werden von den Rundfunkveranstaltern leitungsgebunden oder per Satellit zur Verfügung gestellt, durch die Klägerin an die regionalen Netze herangeführt (Netzebene 2), und dann über Breitbandverteilnetze (Netzebene 3) regional verteilt. So überträgt die Klägerin die Signale zumindest bis zu den jeweiligen Übergabepunkten in der Nähe der Endnutzer. Dort werden die Signale in nachgelagerte - von der Klägerin oder anderen Unternehmen betriebene - Netze (Netzebene 4) eingespeist, an welche die Endnutzer angeschlossen sind.
Der Beklagte, der Bayerische Rundfunk, ist die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt des Freistaats Bayern. Er veranstaltet die Fernsehprogramme Bayerisches Fernsehen (Nord und Süd) und BR-alpha sowie die Hörfunkprogramme Bayern 1, Bayern 2, Bayern 3, BR-Klassik, B 5 aktuell, Bayern plus, on3-radio und B 5 plus.
Diese Programme werden von der Klägerin in ihren Netzen übertragen. Daneben werden die Fernsehprogramme auch über direkt empfangbare Satelliten und über terrestrische Sendenetze (DVB-T) sowie in geringerem Umfang über die Netze kleinerer lokaler Kabelnetzbetreiber und über internetbasiertes Fernsehen (IPTV) übertragen. In Bayern werden die Programmsignale des Beklagten - unter Berücksichtigung von Mehrfachversorgung - über die Netze der Klägerin an 48,7 % der Haushalte, über Satellit an 49,2 % und über DVB-T an 8,9 % übertragen.
Am 27.2.2008 schlossen die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten - darunter der Beklagte -, das Zweite Deutsche Fernsehen, das Deutschlandradio und ARTE G. E. I. E./AR-TE Deutschland TV GmbH als Programmveranstalter einerseits und die Klägerin andererseits einen Vertrag über die Einspeisung und Verbreitung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen und -angeboten in Breitbandkabelnetze (vgl. Anl. K 9; im Folgenden: Einspeisungs-vertrag). Darin verpflichteten sich die Klägerin zur digitalen (§ 2) und analogen (§ 4) Einspeisung u.a. der Programme des Beklagten in ihre Netze und die Programmveranstalter zur Zahlung eines jährlichen Entgelts i.H.v. 27 Millionen Euro (von dem der Beklagte 2,4 Millionen Euro aufbrachte), wobei das Recht der Klägerin nicht berührt werden sollte, von den Kunden oder den nachgelagerten Netzbetreibern für ihre Leistungen, insbesondere die Signallieferung, Entgelte zu verlangen (§ 8). In Ziff. 6. der Präambel des Vertrags hielten die Vertragsparteien fest, dass die Programmveranstalter davon ausgingen, dass sie für die digitale Verbreitung künftig keine Einspeiseentgelte mehr zahlen würden, während die Klägerin davon ausgehe, dass sie auch künftig einen Teil ihrer Infrastrukturkosten nicht endnutzer-, sondern veranstalterseitig refinanzieren werde. Der Vertrag sollte eine Laufzeit bis 31.12.2012 haben und sich um jeweils zwölf Monate verlängern, wenn er nicht von einer der Parteien spätestens sechs Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt werde (§ 13 Nr. 1).
2011 erzielte die Klägerin insgesamt Einspeiseentgelte i.H.v. etwa 163,5 Millionen Euro.
Mit der Klägerin am 25.6.2012 zugegangenen Schreiben (Anl. K 18) erklärte der Beklagte, wie die anderen als Programmveranstalter am Vertrag Beteiligten auch, die Kündigung des Ein-speisungsvertrags zum 31.12.2012.
Der Beklagte stellt der Klägerin weiterhin seine Programmsignale zur Verfügung, welche diese in ihre Netze einspeist. Ein Entgelt leistet der Beklagte dafür nicht mehr.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Einspeisungsvertrag bestehe fort, da die Kündigung unwirksam sei. Diese sei sittenwidrig (§ 138 BGB), weil der Beklagte ihre Leistung weiterhin in Anspruch nehmen wolle, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen; da sich der Beklagte damit in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setze, sei die Kündigung auch treuwidr...