Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilungsabkommen, Schadensfall, Haftpflichtversicherung, Haftungsausfüllende Kausalität, Behandlungsfehler, Haftpflichtversicherer, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Versicherungsnehmer, Krankheitskosten, Aufklärungsrüge, Versichertes Risiko, Treuwidrigkeit, Adäquater Kausalzusammenhang, Versicherungsvertrag, MDK-Gutachten, Kausalitätsprüfung, Haftungsbegründendes, Medizinische Heilbehandlung, Versicherungsschutz, Anspruchsübergang
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung eines Teilungsabkommens zwischen gesetzlichem Krankenversicherer einer Patientin und dem Haftpflichtversicherer des behandelnden Krankenhauses.
2. Zwar bezieht sich der im Teilungsabkommen niedergelegte Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage grundsätzlich sowohl auf die haftungsbegründende als auch auf die haftungsausfüllende Kausalität. Dieser Verzicht betrifft nach dem hier zu beurteilenden Teilungsabkommen jedoch nicht die Frage der Kausalität zwischen Schadensfall und den geltend gemachten Krankheitskosten.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 01.03.2023; Aktenzeichen 9 O 18823/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 01.03.2023, Aktenzeichen 9 O 18823/19, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung aus einem Teilungsabkommen.
Die Klägerin ist gesetzlicher Krankenversicherer der Patientin Magdalena I.. Diese befand sich in ärztlicher Behandlung im ...klinikum M.. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des Klinikums. Zwischen den Parteien besteht ein Teilungsabkommen. Dieses enthält unter anderem folgende Regelungen:
"§ 1 (1) Kann eine diesem Abkommen beigetretene Krankenkasse ("K") gegen eine natürliche oder juristische Person, die bei der ... ("H") haftpflichtversichert ist, gemäß § 116 SGB X Ersatzansprüche aus Schadenfällen ihrer Versicherten oder deren mitversicherten Familienangehörigen (Geschädigte) geltend machen, so verzichtet die "H" auf die Prüfung der Haftungsfrage."
(2) Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens ist in der Kraftfahrt-Haftpflicht-Versicherung ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs; bei der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherung ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich. ...
(4) Ferner findet in der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherung das Abkommen keine Anwendung, wenn nach dem unstreitigen Sachverhalt kein objektiver Verstoß gegen Sorgfalts- und Verhaltensvorschriften vorliegt.
...
(7) Die "H" ersetzt der "K" a) in Fällen der Kraftfahrt-Haftpflicht-Versicherung sowie in Fällen der Haftung nach den Vorschriften des Haftpflichtgesetzes, Luftverkehrsgesetzes und des § 833 Satz 1 BGB 55 v.H. b) in übrigen Fällen der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherung 45 v.H. ...
§ 3 Die "K" hat auf Verlangen der "H" die Ursächlichkeit des fraglichen Schadenfalles für den der Kostenanforderung zugrunde liegenden Krankheitsfall nachzuweisen.
Die Patientin litt unter einer rezidivierenden Divertikulitis. Bei ihr wurde am 19.01.2016 von Ärzten der Beklagten eine Sigma-Resektion vorgenommen. Intraoperativ wurde wegen ausgedehnten intraabdominellen Verwachsungen von einer Laparoskopie auf eine Laparotomie gewechselt. Außerdem wurde wegen einer lokalen Durchblutungsstörung auch ein Teil des Ileums entfernt. Am 22.01.2016 zeigte sich bei rückläufigen Leukozyten auf 12,9 ein deutlicher Anstieg des CRP-Wertes auf 402 mg/l. Am 23.01.2016 wurde um 13:51 Uhr eine Röntgenaufnahme des Abdomens erstellt, um 16:35 Uhr eine Computertomografie des Abdomens. Am 24.01.2016 wurde die Patientin in der Zeit von 0.29 Uhr bis 2.33 Uhr erneut operiert (Erste Revision). Intraoperativ zeigte sich ein Nahtbruch im Bereich der angelegten Anastomose am Dickdarm und in der Folge eine kotige 2-Quadranten-Peritonitis. Die Anastomoseinsuffizienz wurde übernäht, das Abdomen gespült und ein doppelläufiges Ileostoma angelegt. Es wurde eine intravenöse Antibiose verabreicht. Bei erneuter klinischer Verschlechterung wurde am 25.01.2016 eine Relaparotomie durchgeführt (Zweite Revision). Intraoperativ zeigte sich eine punktförmige Perforation im Bereich des Jejunums 10 cm oral der Dünndarmanastomose. Diese wurde übernäht. Da parallel aus der Dickdarmanastomose Luft entwich, wurde auch diese aufgelöst und neu angelegt. Postoperativ wurde die Patientin erneut intensivmedizinisch betreut. Die antibiotische Therapie wurde erweitert. Die Patientin verblieb bis zum 31.01.2016 auf der Intensivstation. Am 29.01.2016 erfolgte eine weitere Re-Laparotomie (Dritte Revision). Dabei wurde der Bauchraum gespült und eine Vakuu...