Entscheidungsstichwort (Thema)
Internet-DVD-Versanddienst
Leitsatz (amtlich)
1. Versandhandel i.S.d. § 1 Abs. 4 JuSchG liegt nur dann vor, wenn es sowohl am persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller als auch an technischen oder sonstigen Vorkehrungen fehlt [durch] die sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt.
2. Der Begriff des Versands an Kinder und Jugendliche in § 1 Abs. 4 JuSchG erfasst nicht allein den Vorgang des Absendens, sondern den gesamten Ablauf der Übermittlung einschließlich des Eintreffens in der Sphäre des Empfängers.
3. Die Übermittlung von DVDs mittels eines an einen Erwachsenen adressierten einfachen Briefs stellt nicht sicher, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 22.04.2004; Aktenzeichen 4 HK O 21550/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des LG München I vom 22.1.2004 teilweise abgeändert.
Der Antragsgegnerin wird - unter Androhung von Ordnungsgeld von 5 Euro bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken am Geschäftsführer der Antragsgegnerin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung - verboten, Filme, die mit "Keine Jugendfreigabe" nach § 14 Abs. 2 JuSchG gekennzeichnet sind ("FSK-18-Filme"), über ihren Internet-DVD-Versanddienst anzubieten oder zu überlassen, wenn nicht - etwa durch Versendung per "Einschreiben eigenhändig" - gewährleistet ist, dass die Filme an den Adressaten persönlich ausgehändigt werden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Antragstellerin zwei Drittel und die Antragsgegnerin ein Drittel.
Gründe
Die Parteien streiten um die jugendschutzrechtlichen Anforderungen an den Versand von Bildträgern.
I. Beide Parteien betreiben Versanddienste, über die sie mittels Bestellung per Internet Film-DVDs vermieten.
Die Antragsgegnerin bietet u.a. DVDs mit Filmen an, die mit "Keine Jugendfreigabe" nach § 14 Abs. 2 JuSchG gekennzeichnet sind (sog. FSK-18-Filme). Um diese bestellen zu können, muss sich der Kunde auf der Homepage der Antragsgegnerin unter Angabe seiner persönlichen Daten anmelden. Dabei erfolgt automatisch eine Alterskontrolle, die auf der individuellen Nummer des Personalausweises basiert und das Geburtsdatum mit dem aktuellen Datum abgleicht; nur wenn diese Prüfung ergibt, dass es sich um einen Volljährigen handelt, kann der Anmeldeprozess fortgesetzt werden. Im Anschluss an die Anmeldung muss der Kunde das POSTIDENT-BASIC-Verfahren der Deutschen Post AG durchlaufen. Hierzu wendet er sich mit einem ihm von der Antragsgegnerin per E-Mail zugesandten Coupon an eine Postfiliale. Dort überträgt ein Filialmitarbeiter die Daten des vom Kunden vorgelegten Personalausweises oder Reisepasses in das POSTIDENT-Formular und überprüft die Identität des Kunden durch einen Vergleich mit dem Lichtbild im Ausweis. Nachdem der Kunde das Formular unterschrieben hat, wird es an die Antragsgegnerin gesandt. Diese vergleicht die Daten des POSTIDENT-Formulars mit denen der Anmeldung; stimmen die Daten überein und ist festgestellt, dass der Kunde volljährig ist, so trägt die Antragsgegnerin den erfolgreichen Abschluss des POSTIDENT-Verfahrens manuell in ihre Software ein und teilt das dem Kunden per E-Mail mit. Wenn anschließend der Mitgliedsbeitrag und die Kaution überwiesen werden, überprüft die Antragsgegnerin, ob der Name des Kontoinhabers mit dem in der Anmeldung übereinstimmt; ist das der Fall, so wird der Kunde für den FSK-18-Bereich des Angebots der Antragsgegnerin freigeschaltet. Die bestellten DVDs mit FSK-18-Filmen werden dem Kunden mit einem an ihn adressierten einfachen Brief geschickt. Weiter erfolgt eine Mitteilung per E-Mail darüber, welche Titel ausgeliefert werden. Ebenso erfolgt eine Mitteilung per E-Mail über jede DVD, die an die Antragsgegnerin zurück gesandt wird. Zudem kann der Kunde jederzeit sämtliche von ihm jemals gemieteten Titel im Internet einsehen.
Das LG hat eine einstweilige Verfügung erlassen, in der der Antragsgegnerin neben drei anderen Punkten verboten wurde, FSK-18-Filme über ihren Internet-DVD-Versanddienst anzubieten und zu überlassen. Die Antragsgegnerin hat diese einstweilige Verfügung in einem dieser Punkte als endgültige Regelung anerkannt und im Übrigen Widerspruch eingelegt. Mit am 22.1.2004 verkündetem und am 15.3.2004 der Antragsgegnerin mit Gründen zugestellten Urteil hat das LG im Umfang des Widerspruchs die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.
Mit ihrer am 14.4.2004 eingelegten und am 13.5.2004 begründeten Berufung greift die Antragstellerin das Urteil nur insoweit an, als es FSK-18-Filme betrifft. Sie ist der Auffassung, die Antragsgegnerin betreibe insoweit verbotenen Versandhandel. Nach dem Wortlaut der Le...