Leitsatz (amtlich)
1. Die Vereinbarung, Gerichtsstand und Erfüllungsort für alle Verbindlichkeiten aus dem Vertrag sei ausschließlich der - im Ausland befindliche - Sitz des Unternehmens, ist als prozessuales Aufrechnungsverbot auszulegen. Damit ist auch die prozessuale Geltendmachung einer vorprozessualen Aufrechnung mit einer Forderung, die im Ausland einzuklagen wäre, ausgeschlossen.
2. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Beklagten ist treuwidrig, wenn er die Erfüllung der von ihm nicht bestrittenen Forderung der Klägerin wegen eines Anspruchs auf Buchauszug verweigert, obwohl der Beklagte an der Erteilung des Buchauszugs derzeit kein Interesse hat.
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 14.04.2016; Aktenzeichen 2 HK O 1051/15) |
Tenor
1. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird Ziff. 4 des Tenors des landgerichtlichen Vorbehaltsurteils vom 14.04.2016, 2 HK O 1051/15, aufgehoben.
2. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Geschäftsverbindung.
Die Klägerin stellt Elektrofahrräder her bzw. importiert diese, der Beklagte vertrieb diese in Süddeutschland für die Klägerin. Die Parteien schlossen am 01.09.2009 einen Agenturvertrag, nach dem der Beklagte für die Klägerin die Geschäfte zu vermitteln hatte. Nach § 9 des Agenturvertrags sind Gerichtsstand und Erfüllungsort für alle Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag ausschließlich der Sitz des Unternehmens. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B 7 Bezug genommen. Am 29.01.2011 vereinbarten die Parteien einen Warenlieferungsvertrag. Danach war der Beklagte berechtigt, Waren aus dem Ersatzteillager der Klägerin in Deutschland zu entnehmen und weiter zu verkaufen. Hieraus steht der Klägerin ein Kaufpreisanspruch gegen den Beklagten in Höhe von 24.995,58 Euro zu, den sie mit der vorliegenden Klage geltend macht.
Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 28.03.2012 (Anlage B 8) die fristlose Kündigung des Agenturvertrags. Der Beklagte verklagte die Klägerin in Österreich im Wege der Stufenklage auf Erteilung eines Buchauszugs, Schadensersatz wegen der fristlosen Kündigung, Zahlung weiterer Provisionen und des Handelsvertreterausgleichsanspruchs. Hinsichtlich des Anspruchs auf Buchauszug schlossen die Parteien den als Anlage B 2 vorgelegten Vergleich. Als der Beklagte aus dem Vergleich zu vollstrecken suchte, erhob die Klägerin vor dem Bezirksgericht Fürstenfeld Oppositionsklage. Diese wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 06.06.2016 (Anlage B 18) abgewiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe den Anspruch auf Buchauszug erfüllt. Forderungen aus dem Agenturvertrag stünden dem Beklagten nicht zu.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
den Beklagten zur Zahlung von 24.995,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 07.04.2012 und 331,65 Euro außergerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 07.04.2012 sowie 25 Euro für Gewerberegisterauskünfte zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, die Forderung der Klägerin sei durch seine prozessuale und vorprozessuale Aufrechnung mit den ihm zustehenden Ansprüchen aus dem Agenturvertrag erloschen. Jedenfalls sei das hiesige Verfahren im Hinblick auf die Stufenklage in Österreich auszusetzen. Außerdem stehe ihm ein Zurückbehaltungsrecht wegen seines Anspruchs auf Buchauszug zu.
Das LG, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat durch Vorbehaltsurteil den Beklagten zur Zahlung von 25.327,23 Euro nebst Zinsen und Zahlung weiterer 25,00 Euro verurteilt und die Entscheidung über die Aufrechnungsforderungen des Beklagten aus dem Handelsvertreterverhältnis mit der Klägerin aus dem Jahr 2009 vorbehalten. Die Klageforderung sei unstreitig. Die Aufrechnungsforderung sei noch nicht abschließend und substantiiert beziffert. Ein Zurückbehaltungsrecht bestehe nicht mehr. Die Klägerin habe dem Beklagten einen Buchauszug erteilt, der auch nicht schlechterdings unbrauchbar sei.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Die Klageforderung sei durch Aufrechnung erloschen, zumindest hätte das LG das Verfahren aussetzen müssen. Im Übrigen habe der Beklagte nach wie vor ein Zurückbehaltungsrecht, da die Klägerin noch keinen ordnungsgemäßen Buchauszug erteilt habe.
Der Beklagte beantragt daher:
1. Das Vorbehaltsurteil des LG München II vom 14.04.2016 - Az. 2 HK O 1051/15 - wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Hilfsweise:
Das Verfahren wird bis zur Erledigung des Rechtsstreits der Parteien vor dem Bezirksgericht Fürstenfeld, Österreich - vormali...