Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine erhöhte Kraftanstrengung bei Anheben einer Kiste
Leitsatz (amtlich)
1. Eine erhöhte Kraftanstrengung setzt einen Einsatz von Muskelraft voraus, der einen über den alltagsüblichen, mit jeder körperlichen Bewegung verbundenen Kraftaufwand hinausgeht. (Rn. 17)
2. Greift ein Versicherungsnehmer vom Fahrersitz mit dem Arm nach hinten, um einen auf der Rückbank des Wagens befindlichen Karton anzuheben, so fehlt es an einer erhöhten Kraftanstrengung. (Rn. 19)
Normenkette
AUB/BVV Nr. 1.4.1
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 10.01.2019; Aktenzeichen 74 O 2389/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 10.01.2019, Az. 74 O 2389/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 22.400,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten bestehenden privaten Unfallversicherung wegen eines behaupteten Unfallereignisses vom 22.04.2015 geltend. Die Klägerin ist Versicherungsnehmerin und versicherte Person eines Unfallversicherungsvertrages. Dem Vertrag liegen die AUB/BVV Stand 01.01.2008 (Anlage K2) zu Grunde. Die Versicherungssumme beträgt 80.000 EUR Das versicherte Ereignis ist in Ziffer 1 der AUB/BVV wie folgt definiert:
1.3 Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet. Die Unfreiwilligkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.
1.4 Als Unfall gilt auch,
1.4.1 wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden.
Die weiteren Regelungen gemäß 1.4.2-1.4.6 sind vorliegend nicht einschlägig.
Die Klägerin meldete das Ereignis vom 22.04.2015 mit Unfallanzeige vom 19.08.2015. Soweit im Tatbestand des Ersturteils vom 10.01.2019 (Seite 2; Blatt 44 der Akten) hierzu abweichende Feststellungen getroffen worden sind, beruht dies offensichtlich auf einem Redaktionsversehen infolge einer irrtümlichen Übernahme der diesbezüglichen Feststellungen aus dem Parallelverfahren des Landgerichts Landshut Aktenzeichen 74 O2383/18.
Die Klägerin trägt vor, sie habe am 22.04.2015 zwischen den Sitzen ihres Cabrios nach hinten gefasst um einen dort liegenden Karton, der schwer gewesen sei, anzuheben, um an die in diesem Karton befindlichen Flyer heranzukommen. Sie habe hierbei den Karton etwas anheben wollen, hierbei sei jedoch eine entsprechende Kraftanstrengung notwendig gewesen, da die Sitzbank im Fahrzeug nach hinten geneigt gewesen sei. Durch diese erhöhte Kraftanstrengung sei es zu einem stechenden Schmerz im Bereich der rechten Schulter und im rechten Oberarm gekommen. Es liege eine erhöhte Kraftanstrengung im Sinne der Versicherungsbedingungen vor. Hieraus resultiere eine Funktionsbeeinträchtigung der rechten Schulter der Klägerin auf Dauer. Es würden sich Bewegungseinschränkungen, Schmerzen, sowie Einschränkung der Gebrauchs- und Funktionsfähigkeit der rechten Schulter zeigen. Es liege ein Invaliditätsgrad von mindestens 28% vor.
Die Beklagte hat sowohl ein Unfallereignis als auch eine unfallbedingte Invalidität bestritten. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin könne auch nicht vom Vorliegen eines Unfallereignisses im Sinne von Paragraf 1.4 der AUB ausgegangen werden. Bei der Klägerin liege eine "Frozen Schoulder" rechts vor. Diese sei degenerativ bedingt. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Schulterproblematik auf ein Ereignis vom 22.04.2015 zurückzuführen sei. Ein frischer struktureller Erstkörperschadens sei nicht nachgewiesen worden. Unfallbedingte Invalidität werde bestritten. Eine äußere Einwirkung bzw. eine erhöhte Kraftanstrengung sei von der Klägerin nicht nachgewiesen worden.
Das Landgericht hat die Klägerin im Termin vom 10.01.2019 (Blatt 40/42 d. A.) mündlich angehört und sodann die Klage abgewiesen. Ein Unfallereignis im Sinne von Ziffer 1.3. der AVB in Form eines plötzlich von außen auf den Körper wirkenden Ereignisses durch welches diese unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erlitten habe, liege nicht vor. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin könne hiervon nicht ausgegangen werden. Die Klägerin habe eine plan - und willensmäßig ausgeführte Bewegung geschildert, bei der sie nach ihrer Darstellung ungewollt eine Körperschädigung erlitten habe. Die stelle keine Auswirkungen von außen dar. Gewollte Kraftanstrengungen...