Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Herstellers beim ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff des Herstellers beim ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz im Falle grenzüberschreitender arbeitsteiliger Entwicklung und Fertigung einer Modeneuheit.
Normenkette
EGBGB Art. 40-41; UWG § 1; EG Art. 28
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 27.02.2003; Aktenzeichen 17 HK O 17653/01) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 27.2.2003 – 17 HK O 17653/01 abgeändert und wie folgt neu gefasst.
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die in Deutschland ansässigen gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber der nachstehend eingeblendeten Stricktops
[folgt Abbildung des Stricktops]
zu erteilen sowie über die Menge dieser im Zeitraum 1.5.2000 bis 31.12.2001 nach Deutschland ausgelieferten Stricktops, und zwar unter Auflistung der Einkaufspreise bzw. Gestehungskosten sowie der Abgabepreise an die gewerblichen Abnehmer.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin all jene Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch die in vorstehender Nr. 1 beschriebenen Handlungen der Beklagten entstanden sind und noch entstehen werden.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG mit Sitz in Deutschland, die Mode für junge Damen herstellt, macht gegen die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in Italien, in der Berufungsinstanz Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Stricktops geltend. Die Klägerin ließ durch die Beklagte im ersten Halbjahr 2000 ein goldfarben beschichtetes ärmelloses und rückenfreies Stricktop fertigen. Ein ähnliches Stricktop lieferte die Beklagte anschließend für die aktuelle Modesaison 2001 an zwei weitere in Deutschland ansässige Firmen, nämlich die Firma C. GmbH und I. GmbH, die dieses Stricktop im Versandhandel anboten.
Das LG hat die Klage mit Urteil vom 27.2.2003 mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin stehe weder ein Auskunfts- noch ein Schadensersatzanspruch nach § 1, § 18 UWG zu; eventuelle Ansprüche aus pVV schieden ebenfalls aus, da im Rahmen dieser deutsch-italienischen Vertragsbeziehungen ausschließlich das CISG auf den Werklieferungsvertrag anzuwenden sei, das keine der pVV entspr. Ansprüche vorsehe. Die Ansprüche aus § 1, § 18 UWG bestünden nicht, da die Klägerin nicht habe nachweisen können, dass das Modell von ihrer Designerin D. entwickelt worden und die Beklagte lediglich Lohnfertigerin gewesen sei. Auf dieses Urteil und die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, der hier streitgegenständliche Sachverhalt sei dadurch gekennzeichnet, dass der Beklagten durch die Klägerin sehr konkret vorgegeben worden sei, was die Beklagte für die Klägerin herzustellen gehabt habe, nämlich die konkrete Ausgestaltung und Farbe der streitgegenständlichen Tops. Die Beklagte sei im Streitfall bloße Lohnherstellerin oder – mit anderen Worten – eine verlängerte Werkbank gewesen. Die Tatsache, dass die Beklagte zur Herstellung des streitgegenständlichen Bekleidungsstücks auch teilweise eigenes Know-how oder eigene Vorschläge mit eingebracht habe, ändere an der grundsätzlichen Wertung nichts, die dahin gehe, dass die Klägerin und ihre Designerin, Frau D., die Schöpferinnen des streitgegenständlichen Bekleidungsstücks seien; sie hätten sozusagen den kreativen Part gehabt, während der Beklagten und deren Mitarbeitern lediglich die handwerksmäßige Umsetzung oblegen habe.
Die Vorgaben, aus denen sich die ästhetische Anmutung und Ausstrahlung des streitgegenständlichen Bekleidungsstücks ergäben, hätten ausschließlich bei der Klägerin als Auftraggeberin gelegen. Sie habe aus ihrem Fundus eine Vorlage, nämlich das türkisfarbene Top zur Verfügung gestellt; sie habe angegeben, wie die Oberflächengestaltung aussehen solle, sie habe Muster und Skizzen übersandt. Mit anderen Worten: Die Gesamtgestaltung des streitgegenständllichen Modells sei ein Entwurf der Klägerin. Die durch die Klägerin der Beklagten übergebenen Unterlagen seien dieser lediglich zu dem Zweck anvertraut worden, dass die Beklagte dieses Modell als Lohnfertigerin herstellen sollte. In der unbefugten Verwertung dieser Zeichnungen und Modelle liege Vorlagenfreibeuterei i.S.d. § 18 UWG. Dies habe das LG verkannt und somit § 1 UWG und § 18 UWG rechtsfehlerhaft angewandt.
Darüber hinaus habe das LG übersehen, dass § 1 UWG ein offener Tatbestand sei, bei dessen Anwendung alle Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen seien, d.h. auch mögliche Verletzungen vertraglicher Verpflichtungen. Die Beklagte habe vertragliche Sorgfaltspflichten, nämlich vertragliche Nebenpflichten, Rücksichtnahmepflichten und Unterlassungspflichten verletzt, indem sie das...