Entscheidungsstichwort (Thema)
Androhung der Veröffentlichung der Namen von Werbefirmen bei Werbung für Scientology-Verlag
Leitsatz (amtlich)
1. Unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb eines Buchverlags durch Aufforderung an Werbefirmen, keine Werbung mehr für diesen Verlag zu machen.
2. Finden die Motive für einen Boykottaufruf ihren Grund in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange, so spricht dies für die Zulässigkeit des Aufrufs. Daraus ergibt sich aber kein absoluter Schutz des Verrufers.
3. Der Boykottaufruf muss sich auf den Versuch einer geistigen Einflussnahme und Überzeugung beschränken. Die Ausübung wirtschaftlichen oder sozialen Drucks, der für die Adressaten schwere Nachteile bewirkt und ihnen die Möglichkeit nimmt, ihre Entscheidung in voller innerer Freiheit zu treffen, ist nicht durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 30 O 21972/00) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I, 30. Zivilkammer, v. 8.6.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwerde der Beklagten im Berufungsverfahren übersteigt 60.000 DM nicht.
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin der Nutzungsrechte zum Vertrieb der Werke des amerikanischen Schriftstellers L.R.H. auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Dieser im Jahr 1986 verstorbene Autor war Gründer der Scientology Bewegung. Diese Bewegung wird in Deutschland von verschiedenen Seiten, insbesondere von den sog. Amtskirchen und von einigen politischen Parteien heftig angefeindet.
„Junge Union” ist die Bezeichnung der Nachwuchsorganisation der CSU. Deren Bezirksverband München, die Beklagte zu 1), ist in das rechtliche Gewand eines nicht rechtsfähigen Vereins gekleidet, dessen Vorsitzender der Beklagte zu 2) bis zum Jahr 2001 war.
Die Klägerin wirbt mit Plakaten für das von ihr vertriebene Buch von L.R.H. „Scientology – Die Grundlagen des Denkens”. Diesbezügliche Plakate der Klägerin veröffentlichte u.a. die Firma A. Außenwerbung GmbH auf ihren Plakatwänden und Litfasssäulen.
Die Beklagte zu 1) gab aus diesem Anlass am 22.8.2000 eine Pressemeldung heraus unter der Überschrift „Scientology wirbt wieder öffentlich in München – Junge Union veröffentlicht ab sofort immer die Namen der Werbefirmen und ruft zum Boykott auf”.
Im Text dieser Pressemitteilung heißt es u.a.:
„Mit Plakaten versucht die umstrittene Sekte Scientology derzeit in München auf Mitgliederfang zu gehen. Geworben wird für das Buch „Scientology – Die Grundlagen des Denkens” von L.R.H. …”
Die Sekte, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht und der auch zahlreiche Prominente angehören, ist seit langem im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik.
Die Junge Union München fordert von den Verantwortlichen der Stadt, gegen diese Kampagne vorzugehen.
J.H., MdL und Bezirksvorsitzender der Jungen Union München, sagte hierzu wörtlich: „Immer wieder lassen sich Plakatfirmen zu solchen Buchungen hinreißen. Offensichtlich ist die Aussicht auf ein paar Mark hier wichtiger als die Überzeugung. Daher veröffentlichen wir diese Werber. Damit muss jetzt jeder rechnen, der für Scientology Werbung macht. Die Informationen erhalten jeweils die Münchner Medien, sind aber auch auf unserer Homepage unter „Pressemeldungen” nachlesbar.
Die Firma A., die ihrerseits Standflächen für ihre Werbemittel bei verschiedenen Grundstückseigentümern anmietet, beugte sich nach dem Tatbestand des LG dem Druck von der Beklagtenseite, nachdem ihr verschiedene Grundstückseigentümer, Vertragskündigungen solcher Standflächen angedroht hatten. Sie musste außerdem besorgen, dass andere Auftraggeber Aufträge für laufende Werbung zurückziehen und keine neuen Aufträge mehr erteilen würden, falls solche Werbemaßnahmen für die Klägerin in Zukunft veröffentlicht würden. Die Firma A. hat den Werbevertrag mit der Klägerin fristlos gekündigt.
Die Klägerin hat argumentiert, das Verhalten verletze ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und stelle zugleich einen unerlaubten Eingriff in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.
Der Beklagte zu 2) sei auch persönlich passivlegitimiert.
Die Klägerin hat beantragt:
Die Beklagten haben es samtverbindlich bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM, ersatzweise Haft bis zu sechs Monaten oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft bezüglich des Beklagten zu 1) an dessen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß Werbefirmen aufzufordern, oder auffordern zu lassen, keine Werbemittel mit Werbung für das Gedankengut von Scientology auf Werbeträgern zu veröffentlichen, wenn diese Aufforderung mit der Ankündigung verbunden ist, die Namen der Werbefirmen zu veröffentlichen, welche dieser Aufforderung der Beklagten keine Folge leisten.
Die B...