Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung aus Betrieb eines Traktors für beim Mähen hochgeschleuderte Steine
Leitsatz (amtlich)
1. die Motorkraft von Kraftfahrzeugen kann nicht nur zur Beförderung von Personen oder Sachen, sondern auch für andere Arbeitsvorgänge genutzt werden, die kaum noch als das bloße Auf- und Abladen des Ladegutes angesehen werden. Ein solches Sonderfahrzeug ist auch ein Lastzug, der mit Spezialaufbau für den Kiestransport und ua mit einer mechanischen Entladeeinrichtung versehen ist. Ob ein Unfall, der etwa beim Entladen unter Verwendung des Motors als Maschine verursacht worden ist, noch dessen Betrieb im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes zuzurechnen ist, hängt davon ab, vor welchen Gefährdungen § 7 StVG schützen will und ob die zum Unfall führende Benutzung dieser "Betriebseinrichtung" noch diesem Schutzbereich angehört. (Rn. 15)
2. Eine Verbindung mit dem "Betrieb" als Kraftfahrzeug ist zu bejahen, wenn eine "fahrbare Arbeitsmaschine" gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet (hier: Hochschleudern von Steinen durch einen mähenden Traktor, der zu nah an den Straßenrand geriet). (Rn. 14 - 18)
3. Wird ein Motorrad durch Steine beschädigt, die ein Mäh-Traktor aufschleudert, der entlang dem Straßenbankett eine angrenzende Wiese mäht, ist der Schaden laut Oberlandesgericht München beim Betrieb des Traktors entstanden, für den dessen Halter allein haftet.
Normenkette
StVG § 7
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 07.02.2023; Aktenzeichen 6 O 2244/21) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten vom 02.03.2023 gegen das Endurteil des LG Traunstein vom 07.02.2023 (Az. 6 O 2244/21) zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers vom 13.02.2023 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 07.02.2023 (Az. 6 O 2244/21) in Nr. 1.-4. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger 8.351,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.09.2021 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.09.2021 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.Verb.m. § 544 II Nr. 1 ZPO).
B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Klagepartei hat in der Sache weit überwiegend Erfolg, wohingegen die ebenfalls statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten keinen Erfolg hat.
I. Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aus § 7 I StVG verneint und ging zu Unrecht von einer Mithaftung des Klägers aus.
Der Senat ist nach der von ihm durchgeführten vollständigen Wiederholung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass das Motorrad des Klägers am 08.05.2021 gegen 17:50 Uhr auf der Staatsstraße 2093 von Palling Richtung Wiesmühl beschädigt wurde, als der Kläger mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 km/h den in Fahrtrichtung des Klägers rechts gesehen in der angrenzenden Wiese befindlichen und dort nah am Bankett mähenden Traktor des Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, ihm entgegenkommend passierte, weil der Beklagte zu 1) mit dem Mähwerk an das Bankett kam und dort Steine aufwirbelte, die seitlich das Motorrad trafen und beschädigten.
1. Der Kläger bestätigte bei seiner Anhörung vor dem Senat, dass er bei der Vorbeifahrt auf Höhe des Traktors, der ihm im auf der aus seiner Sicht rechts der Straße befindlichen Wiese entgegenkam, ein Knistern hörte und kurz darauf einen Schmerz am rechten Schienbein spürte und auch sah, dass der Traktor mit dem Mähwerk nahe am Straßenbankett war, dass er nach kurzer Weiterfahrt an einem Bauernhof anhielt, sein Motorrad besichtigte und dabei Lackabplatzungen feststellte und beim Hochziehen der Hose (Jeans) an seinem rechten Bein eine frische blutende Wunde vorhanden war. Der Kläger gab auch an, dass er das Motorrad erst 4 Tage vorher als Neufahrzeug erworben hatte und die Laufleistung erst ca. 600 km betrug. Diese Angaben stehen in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers bei der Polizei am Unfalltag kurz nach dem Unfall (18:56 Uhr, Ermittlungsakte Bl. 11). Die Lebensgefährtin des Klägers, die Zeugin S., erinnerte sich, dass sie bei der Vorbeifahrt das Mähwerk ganz nah am Bankett der Straße wahrnahm und eine Staubwolke sah, ein Knistern hörte und der Kläger, mit dem sie über Funk verbunden war, "Aua" r...