Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragshändler, Handelsvertreterausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. An der für eine analoge Anwendung des § 89b HGB für Vertragshändler erforderlichen Voraussetzung der Überlassung des Kundenstamms nach Vertragsbeendigung an den Unternehmer fehlt es, wenn der Vertragshändlervertrag keine diesbezügliche Regelung enthält und die Parteien eine gesonderte, vom Händlervertrag unabhängige Vereinbarung ("Vereinbarung zur Überlassung von ...-Kundendaten für Zwecke der Kundenbetreuung durch ... und zur Marktforschung") getroffen haben, in der sich das Unternehmen verpflichtet nach Vertragsbeendigung die Kundendaten nicht mehr zu nutzen und zu löschen, falls nicht der Vertragshändler binnen drei Monaten das in der Vereinbarung bereits bindend abgegebene Angebot zum Ankauf der Kundendaten gegen Zahlung eines pauschalen Kaufpreises annimmt.

2. Bei einer derartigen Vertragsgestaltung handelt es sich um eine nach Beendigung des Händlervertrags getroffene Vereinbarung, der die zwingende Regelung des § 89b Abs. 4 HGB nicht entgegensteht.

 

Normenkette

HGB § 89b

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 28.01.2013; Aktenzeichen 15 HK O 29536/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 05.02.2015; Aktenzeichen VII ZR 315/13)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 28.1.2013 - 15 HK O 29536/11, aufgehoben und Klage abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger als Insolvenzverwalter des Autohauses K. GmbH aus H. begehrt von der Beklagten Handelsvertreterausgleich analog § 89b HGB.

Die Gemeinschuldnerin war aufgrund Vertrags vom 30.6.1996 B.-Vertragshändlerin. Dieser Vertrag wurde durch die Beklagte zum 30.9.2003 gekündigt. Die Beklagte bot im Mai 2003 der Schuldnerin einen neuen Händlervertrag an (vgl. Anlage B 3). Am 01.07./2.6.2003 schlossen die Parteien einen neuen Händlervertrag sowie eine Vereinbarung zur Überlassung von B. Kundendaten für Zwecke der Kundenbetreuung durch B. und zur Marktforschung (vgl. Anlagen B 1 und B 2). Infolge der Insolvenz der Schuldnerin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 7.7.2008 fristlos.

In dem Anschreiben der Beklagten vom Mai 2003 (vgl. Anlage B 3), mit dem sie der Schuldnerin den neuen Händlervertrag und die Vereinbarung zur Überlassung von B. Kundendaten für Zwecke der Kundenbetreuung durch B. und zur Marktforschung (im Folgenden: KBP-Vereinbarung) übermittelte, wies die Beklagte u.a. ausdrücklich darauf hin, dass die "Unterzeichnung dieser Vereinbarung ... freiwillig (ist) und keine Voraussetzung für den Abschluss des B. Händlervertrags".

Die KBP-Vereinbarung (Anlage B2) enthielt u.a. folgende Regelungen:

"I. B. Kundenbetreuung

...

5. Die Teilnahme des Händlers an der B. Kundenbetreuung endet durch Beendigung des B. Händlervertrags, durch schriftliche Kündigung der Teilnahmeerklärung durch den Händler oder mit Beendigung des Kundenbetreuungsprogramms durch B.

6. Vorbehaltlich der nachstehend unter Abschnitt II getroffenen Regelungen wird B. nach Beendigung der Teilnahme des Händlers an der B. Kundenbetreuung die vom Händler überlassenen Daten sperren, ihre Nutzung einstellen und auf Verlangen des Händlers löschen.

II. Ankauf von Kundendaten durch B.

1. B. bietet dem Händler hiermit an, seine vollständigen B. Kunden- und Interessentendaten bei endgültiger Beendigung der Zusammenarbeit auf Grundlage eines B. Händlervertrags gegen Zahlung eines pauschalen Kaufpreises anzukaufen, wenn B. dem Händler nicht nach Auslaufen des jeweils bestehenden B. Händlervertrags den Abschluss eines neuen B. Händlervertrags anbietet oder die Beendigung aus Gründen erfolgt, die von B. zu vertreten sind, und der Händler dieses Angebot binnen drei Monaten nach Beendigung der Zusammenarbeit durch schriftliche Erklärung gegenüber B. annimmt.

Der von B. zu leistende Kaufpreis wird auf Basis der Anzahl von neuen B. Automobilen und von B. Vorführfahrzeugen des Händlers ermittelt, welche der Händler jährlich verkauft hat und die auf Endkunden innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) zugelassen wurden (Erstzulassungen Neufahrzeuge sowie Zweitzulassungen Vorführfahrzeuge). Maßgeblich ist der Durchschnittswert der so zugelassenen Fahrzeuge des vorletzten und drittletzten vollen Kalenderjahres vor Vertragsende. Für diese so ermittelte Anzahl leistet B. einen Pauschalbetrag von 1.000 EUR je Einheit zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer.

Dieser Pauschalbetrag wird jährlich um 10 EUR gegenüber dem Ausgangsjahr 2003 (Bezugsbasis) erhöht. Zum Ansatz kommt der so indizierte Pauschalbetrag im letzten vollen Kalenderjahr vor Beendigung der Zusammenarbeit.

..."

Die Schuldnerin nahm dieses Angebot der Beklagten zum Ankauf der Kundenda...

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