Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen einer altrechtlichen Dienstbarkeit
Normenkette
AGBGB Art. 57; ZPO § § 415 f., § 416; BayAGBGB Art. 57, 56 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 04.02.2016; Aktenzeichen 5 O 3108/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des LG Traunstein, Az.: 5 O 3108/14, vom 04.02.2016, berichtigt mit Beschluss vom 22.03.2016, aufgehoben.
II. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, über den Weg zu fahren, der über die Flur N., Flurstück 299, 298/2, 298, Gemarkung F. zum Anwesen H. mühle 1, W., führt.
III. Den Beklagten wird angedroht, dass gegen sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,- EUR und für den Fall, dass es nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder alternativ Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt wird.
IV. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen, die Widerklagen werden abgewiesen.
V. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VII. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das behauptete Bestehen eines Geh- und Fahrtrechtes der Beklagten an mehreren Flurstücken der Kläger sowie das Begehren der Beklagten, den Klägern die Benutzung des streitgegenständlichen Weges, soweit dieser über ein Grundstück der Beklagten verläuft, zu verbieten.
Das Erstgericht hatte über die angestrebte Unterlassung des Befahrens des laut Klage über 3 Flurstücke der Kläger verlaufenden Wegs seitens der Beklagten einschließlich einer bei Zuwiderhandlung erfolgende Androhung von Ordnungsgeld/Ordnungshaft zu befinden. Umgekehrt hatte das Erstgericht über die Widerklage auf Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts als Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers zu entscheiden. Zudem wollten die Beklagten für den Fall eines der Unterlassungsklage stattgebenden Urteils die Kläger verurteilt wissen, die Wegefortsetzung auf einem den Beklagten gehörenden Flurstück zum Zwecke des Begehens oder Befahrens nicht nutzen zu dürfen.
Das LG nahm am 27.03.2015 einen Augenschein ein, hörte die Klägerin und die Beklagten an, führte nach Richterwechsel am 11.12.2015 einen weiteren Hauptverhandlungstermin durch und wies mit am 04.02.2016 verkündetem Endurteil die Klage ab, verurteilte auf die Widerklage hin die Kläger und Widerbeklagten, die Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts auf 4 Flurstücken ihres Grundstücks zu bewilligen und legte den Klägern die Kosten des Rechtsstreits auf. Auf die im Ersturteil (Bl. 107/116 d.A.) getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung wenden sich die Kläger gegen die Annahme des LG, dass zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Beklagten ein Fahrtrecht über den "Mühlweg" als altrechtliche Grunddienstbarkeit im Wege der Ersitzung durch mindestens 10-jährige Benutzung in der Zeit ab 1859 entstanden sei, das bis heute fortbestehe. Dieses Ergebnis beruhe auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung.
Entgegen dem rechtlichen Ausgangspunkt des LG sei es nicht möglich gewesen, dass ein Geh- und Fahrtrecht im 19. Jahrhundert allein durch gutgläubige Ausübung hätte erworben werden können. Der gewohnheitsrechtliche Erwerb nach bayerischem allgemeinen Landrecht habe neben der Ingebrauchnahme auch eine schriftliche Bestellung vorausgesetzt, die nach dem 01.07.1862, dem In-Kraft-Treten des Bayerischen Notariatsgesetzes, in notarieller Form getroffen werden musste; eine schriftliche Vereinbarung hätten die Beklagten aber hier nicht nachgewiesen.
Das LG führe zwar zutreffend aus, dass ein Fahrtrecht als altrechtliche Grunddienstbarkeit durch Ersitzung erworben werden konnte, wenn es vor Anlegung der Grundbücher im OLG-Bezirk München, also vor dem 01.05.1905, über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren ausgeübt worden war; letztere bestrittene Tatsache habe das LG fehlerhaft dadurch als erwiesen erachtet, weil sich aus der als Anlage K 4 vorgelegten Urkunde ergeben habe, "dass die Voraussetzungen einer solchen Ersitzung bereits im Jahre 1871 vorlagen." Das Schriftstück K 4 sei jedoch keine Urkunde im Sinne der §§ 415 f. ZPO, weder eine von den Ausstellern unterschriebene Privaturkunde noch eine öffentliche Urkunde. 1871 hätte ein solches Schriftstück nämlich gar nicht von Bürgermeistern "in den Grenzen ihrer Amtsbefugnisse" wirksam aufgenommen werden können. Jedenfalls komme den Beklagten die Beweisregel des § 416 ZPO nicht zugute und sie hätten daher weiter vollen Beweis für die von ihnen behauptete mindestens 10-jährige Benutzung des Mühlwegs vor dem 01.05.1905 erbringen müssen, was sie nicht getan hätten.
Auch habe sich das LG nicht damit auseinandergesetzt, dass die Behauptung der Beklagten, das Fahrtrecht sei 1859 von einem Herrn A., dem "Vorfahren" eines Herrn Z. erworben worden, der die Mühle dann 1860 selbst "durch Kauf erworben habe", sich mit einer Ersitzung des Fahrtrechts durch gutgläubigen Gebrauch nicht vereinbaren lasse. Di...