Entscheidungsstichwort (Thema)
Interimsauftrag
Leitsatz (amtlich)
1. Der nach § 19 LVG LSA gewährte Primärrechtsschutz für Vergabeverfahren mit einem Nettoauftragswert unterhalb des sog. Schwellenwerts i.S.v. § 106 GWB erfasst nicht die Ausschreibungen eines Sektorenauftraggebers.
Allerdings ist einem Bieter in einem Verfahren eines Sektorenauftraggebers zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags unterhalb der sog. Schwellenwerte zur Erlangung von Primärrechtsschutz grundsätzlich der zivilrechtliche Rechtsweg eröffnet.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Gewährung eines Primärrechtsschutzes besteht in einem Vergabeverfahren nicht mehr, wenn dieses durch die wirksame Erteilung eines Zuschlags bzw. durch den wirksamen Abschluss eines Vertrages beendet ist.
3. Schließt der Auftraggeber mit einem Wirtschaftsteilnehmer auf der Grundlage von Direktverhandlungen einen Dienstleistungsvertrag, so fehlt es bezüglich des hieran nicht beteiligten Unternehmens regelmäßig schon an einem vorvertraglichen Schuldverhältnis, aus dem etwaige Schadensersatzansprüche abgeleitet werden könnten.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 31.07.2020; Aktenzeichen 7 O 1062/20) |
LG Magdeburg (Beschluss vom 21.08.2020; Aktenzeichen 7 O 1062/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 31. Juli 2020 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 21. August 2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragstellerin begehrt im Zusammenhang mit einer EU-weiten Vergabe eines öffentlichen (Unter-) Auftrags im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs durch die Antragsgegnerin die Untersagung der Invollzugsetzung eines bereits abgeschlossenen Auftrags für interimsweise zu erbringende Verkehrsdienstleistungen bis zum Abschluss des bereits eingeleiteten und zurzeit durch ein Nachprüfungsverfahren verzögerten Vergabeverfahrens im Wege einer einstweiligen Verfügung.
Die Antragsgegnerin, eine kommunale Verkehrsunternehmung und Inhaberin der Genehmigung verschiedener Verkehrsdienstleistungen nach dem PBefG, veranlasste am 16.04.2020 ein EU-weites Offenes Verfahren zur Vergabe von Aufträgen über Verkehrsleistungen des öffentlichen Linienverkehrs mit Bussen einschließlich Ausbildungsverkehre als Unterauftragnehmer in vier Teillosen auf der Grundlage der Sektorenvergabeverordnung (SektVO). Als Ausführungszeitraum war jeweils die Zeit vom 01.08.2020 bis zum 24.08.2022 vorgesehen (künftig: Haupt-Vergabeverfahren).
Die Antragstellerin und die R. GmbH & Co. KG (künftig: Mitbewerberin) gaben fristgerecht Angebote für jeweils alle vier Lose ab. Nachdem die Antragsgegnerin die Antragstellerin vorab darüber informiert hatte, dass sie beabsichtige, den Zuschlag in allen vier Losen jeweils auf das Angebot der Mitbewerberin zu erteilen, leitete die Antragstellerin bei der 2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt ein Nachprüfungsverfahren ein, welches derzeit andauert (dort geführt unter den Gz. 2 VK LSA 9-12/20). Ein Antrag der hiesigen Antragsgegnerin auf Gestattung des vorzeitigen Zuschlags gemäß § 169 Abs. 2 GWB blieb ohne Erfolg (Gz. 2 VK LSA 15/20).
Aufgrund des Herannahens des Beginns der Ausführungsfrist führte die Antragsgegnerin allein mit der Mitbewerberin Verhandlungen über eine interimsweise Vergabe von Teilen der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen für einen Monat (August 2020), optional verlängerbar um einen weiteren Monat (September 2020), endend jedenfalls mit der Zuschlagserteilung im o.a. Offenen Verfahren (künftig: Interim-Vergabeverfahren). Im Ergebnis dieser direkten Verhandlungen schlossen die Antragsgegnerin und die Mitbewerberin am 20.07.2020 einen "Vertrag über die interimsweise Gestellung und den Einsatz von Kapazitäten zur Durchführung von Leistungen im Linienverkehr gem. § 42 PBefG". Die Einzelheiten der vertragsgegenständlichen Leistungen sind nicht vorgetragen. Auf der Grundlage dieses Vertrages erbringt die Mitbewerberin derzeit entgeltliche Verkehrsleistungen.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung letztlich gegen die Durchführung des Verkehrsvertrages vom 20.07.2020.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des streitigen Vorbringens der Beteiligten, wegen des Verlaufs des erstinstanzlichen Verfahrens und wegen der wechselseitig gestellten Anträge nimmt der Senat auf den Abschnitt I. der Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.
Das Landgericht hat die Anträge - Haupt- und mehrere gestufte Hilfsanträge - der Antragstellerin nach schriftlicher Anhörung der Antragsgegnerin mit seinem Beschluss vom 31.07.2020 abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen diese ihr laut Empfangsbekenntnis am 05.08.2020 zugestellte Entscheidung hat die Antragstellerin mit einem am 14.08.2...