Leitsatz (amtlich)

Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO kommt zwar nicht in Betracht, wenn der Rechtsstreit entscheidungsreif ist, jedoch liegt es gem. § 301 Abs. 2 ZPO im nur beschränkt nachprüfbaren Ermessen des Gerichts, ob es von dem Erlass eines Teilurteils absieht und eine Aussetzung gem. § 148 ZPO ausspricht.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Beschluss vom 09.03.2006; Aktenzeichen 4 O 169/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Aussetzungsbeschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Halle vom 9.3.2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

Gründe

A. In dem der sofortigen Beschwerde zugrunde liegenden Ausgangsverfahren nimmt der Kläger den beklagten Landkreis wegen verschiedener in den Jahren 2000, 2001 und 2002 auf der Grundlage des Beförderungsvertrages vom 25.6.1996 durchgeführter Schülertransportfahrten auf Nachzahlung des Differenzbetrages auf den neu berechneten Umsatzsteuersatz von 16 % in Anspruch.

Der Kläger betreibt ein Taxiunternehmen. Er schloss mit dem Beklagten am 25.6.1996 einen Transportvertrag über die Beförderung behinderter Schüler in die Schulen und Sonderschulen der Stadt H. ab.

In § 2 der Vertragsurkunde vereinbarten die Parteien ein Entgelt für die Beförderungsleistungen von 1 DM/km zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertragsinhaltes wird auf die Ablichtung des Beförderungsvertrages - Anlage K 1 Band I Blatt 4 d.A. - Bezug genommen.

Über die in den Geschäftsjahren 2000, 2001 und 2002 erbrachten Beförderungsleistungen legte der Kläger jeweils Rechnung unter Berücksichtung einer ermäßigten Umsatzsteuer von 7 %. Aufgrund einer Prüfungsanordnung des Finanzamtes H. wurde in dem Betrieb des Klägers im Jahre 2004 eine Betriebsprüfung durchgeführt, in deren Ergebnis u.a. beanstandet wurde, dass der Kläger für die Schülertransportfahrten zum Teil einen ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % statt der gesetzlichen Regelumsatzsteuer von 16 % seinen Rechnungen zugrunde gelegt habe, obwohl die Voraussetzungen des Ermäßigungstatbestandes nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchstabe b UStG nicht vorgelegen hätten, da ausweislich der Streckenprotokolle die Beförderungsstrecken teilweise 50 km überschreiten würden. Mit geänderten Festsetzungsbescheiden jeweils vom 6.12.2004 wurden die Steuerbescheide im Hinblick auf die Umsatzsteuer angepasst. Die gegen die geänderten Bescheide eingelegten Einsprüche des Klägers hat das Finanzamt H. mit Bescheiden vom 18.5.2005 für die jeweiligen Steuerjahre als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diese Bescheide hat der Kläger mit Klageschrift vom 10.8.2005 vor dem FG Sachsen-Anhalt unter dem Geschäftszeichen - 2 K 12525/05 Anfechtungsklage gegen das Finanzamt H. erhoben.

Zudem hat er seine Entgeltforderungen gegen den Beklagten im Hinblick auf den Umsatzsteuersatz neu berechnet und von dem Beklagten mit den unter dem 26.6.2005 gelegten Rechnungen den Ausgleich der Umsatzsteuerdifferenz verlangt.

Im Hinblick auf die vor dem FG anhängige Klage hat das nach Klageerweiterung und Verweisung zuständig gewordene LG unter dem 9.3.2006 beschlossen, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des FG Sachsen-Anhalt gem. § 148 ZPO auszusetzen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die zur Entscheidung des FG gestellte Rechtsfrage, inwiefern auf die Beförderungsleistungen des Klägers eine Umsatzsteuer von 7 % oder aber 16 % entfällt, für den vor dem LG rechtshängigen Rechtsstreit vorgreiflich sei. Die mit der Aussetzung des Verfahrens verbundene Verzögerung des Verfahrens müssten die Prozessparteien hinnehmen, zumal anderenfalls eine doppelte Verfahrensführung und die Gefahr einander widerstreitender Entscheidungen zu befürchten seien. Mit Hinweisverfügung vom gleichen Tage hat das LG die Parteien überdies darauf hingewiesen, dass es die Entgeltansprüche betreffend die Jahre 2000 und 2001 für verjährt erachte.

Gegen den Aussetzungsbeschluss des LG hat sich der Beklagte mit dem am 17.3.2006 eingegangenen Schriftsatz gewandt und die Aufhebung des Beschlusses beantragt. Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Aussetzung des Rechtsstreites einer Verfahrensverschleppung Vorschub leiste. Eine Aussetzung sei unzulässig, da der Rechtsstreit bereits Entscheidungsreife i.S.d. § 300 ZPO erlangt habe, denn die klägerischen Ansprüche seien weder dem Grunde noch der Höhe nach begründet und daher durch Endurteil abzuweisen. Im Übrigen habe der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben. Da auch das LG in seinem Hinweis vom 9.3.2006 davon ausgegangen sei, dass die klägerischen Ansprüche bezogen auf die Jahre 2000 und 2001 verjährt und damit nicht mehr durchsetzbar seien, sei für eine Aussetzung des Verfahrens insofern kein Raum. Das LG hätte jedenfalls hinsichtlich der verjährten Ansprüche durch Teilurteil nach § 301 ZPO entscheiden müssen.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils nach § 301 Abs. 1 ZPO seien erfüllt, so dass das Gericht nach der Intention des Gesetzes i...

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