Leitsatz (amtlich)
Eine Verständigung nach § 257c StPO begründet in der Regel die Schwierigkeit der Rechtslage im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO.
Verfahrensgang
AG Wernigerode (Entscheidung vom 05.08.2013; Aktenzeichen 7 Ds 835 Js 81311/12) |
Tenor
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 5. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Wernigerode hat die Angeklagten jeweils wegen "gemeinschaftlichen" versuchten Diebstahls schuldig gesprochen und I. S. zur Geldstrafe von 90 Tagessätzen, A. S. zur Freiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Sprungrevision.
II.
Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift ausgeführt:
"...
Die tatrichterliche Beweiswürdigung, die aufgrund glaubhafter Geständnisse der Angeklagten zu den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Urteil geführt hat, steht nicht im Einklang mit den laut berichtigtem Hauptverhandlungsprotokoll (Bl. 152 i.V.m. Bl. 116 f. d.A.) getätigten Einlassungen der Angeklagten. Das Amtsgericht ist vielmehr in einem entscheidenden Punkt von einem anderen Sachverhalt ausgegangen, den die Angeklagten so nicht dargestellt haben.
Der von dem Amtsgericht Wernigerode festgestellte Sachverhalt, wonach die Angeklagten die zum Abtransport bereitgestellten Kanister mit entwendetem Dieselkraftstoff nicht mehr mitnehmen konnten, weil sie von der Polizei gestellt wurden, rechtfertigt die Verurteilung wegen gemeinschaftlich versuchten Diebstahls. Hingegen hatten die Angeklagten nach ihrer Version die Tatvollendung bereits aufgegeben und den Tatort unter Zurücklassung der Benzinkanister verlassen, als sie von Polizeibeamten gestellt wurden. Nach dieser Version der Angeklagten liegt ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch vor, der eine Verurteilung wegen gemeinschaftlich versuchten Diebstahls ausschließt."
Dies sieht der Senat ebenso.
Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat:
Auch hinsichtlich des im ersten Rechtszug unverteidigten I. S. liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor. Das Urteil beruhte auf einer Verständigung im Sinne von § 257 c StPO, was die Rechtslage schwierig im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO macht, weil ein Angeklagter sich bei der Erörterung einer solchen Verfahrensweise in der Regel nicht selbst wirksam verteidigen kann.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.03.2013 (2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 - NJW 2013, 1058) und zahlreiche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (zuletzt: BGH, Urt. v. 3. September 2013 - 5 StR 318/13 -, juris; Urt. v. 7. August 2013 - 5 StR 253/13, juris; Beschluss vom 6. August 2013 - 3 StR 212/13 -, juris; Urt. v. 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13 -, juris; Beschluss vom 25. Juni 2013 - 1 StR 163/13 - juris; Beschluss vom 22. Mai 2013 - 4 StR 121/13 -, juris; Beschluss vom 25. April 2013 - 5 StR 139/13 -, juris; Beschluss vom 11. April 2013 - 1 StR 563/12 -, juris; Beschluss vom 06. März 2013 - 5 StR 423/12 -, BGHSt 58, 184-192; Urteil vom 28. Februar 2013 - 4 StR 537/12 -, juris; Beschluss vom 21. Februar 2013 - 1 StR 633/12 -, juris) zeigen überdeutlich, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften, die die strafprozessuale Verständigung regeln, selbst für Berufsrichter äußerst kompliziert und fehleranfällig ist. Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass ein Angeklagter, der nicht Volljurist ist, seine Rechte im Rahmen des undurchsichtigen Verfahrens, das einer Verständigung vorauszugehen hat, ohne juristischen Beistand erkennen und somit wahrnehmen kann. Deshalb ist bereits die Erörterung einer Verständigung regelmäßig Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO.
Dies gilt auch, wenn - wie hier - ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil aufgehoben worden ist. Denn der Angeklagte bedarf zur sachgerechten Vorbereitung seiner Verteidigung bereits vor Beginn der neuen Hauptverhandlung einer Belehrung, welche Bedeutung seine im Rahmen der Verständigung abgegebene Erklärung für das weitere Verfahren haben kann.
Fundstellen
Haufe-Index 6450941 |
NStZ 2014, 116 |
AO-StB 2014, 118 |
StRR 2014, 70 |
StV 2014, 274 |
StraFo 2014, 21 |