Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbliebene Anhörung eines minderjährigen Kindes im Sorgerechtsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Kind, das das 3. Lebensjahr vollendet hat, in einem ihn betreffenden Verfahren nicht angehört, leidet das Verfahren an einem schweren Verfahrensmangel, sofern nicht durch das Gericht gewichtige Gründe dargelegt werden, weshalb es im Interesse des Kindes von einer Anhörung abgesehen hat.
Normenkette
FGG § 50b
Verfahrensgang
AG Weißenfels (Beschluss vom 12.12.2008; Aktenzeichen 5 F 283/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kindesmutter und Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Weißenfels vom 12.12.2008 (Az.: 5 F 283/07) aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das AG - Familiengericht - Weißenfels zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist gem. §§ 621e Abs. 1, Abs. 3, 517, 520 Abs. 1, 2 und 3 S. 1 ZPO als befristete Beschwerde zulässig.
Es ist auch begründet und führt wegen eines Verfahrensmangels zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
Das Verfahren des AG leidet an einem schwerwiegenden Fehler, denn es hat entgegen § 50b Abs. 1 FGG vor Erlass der angefochtenen Hauptsachenentscheidung das betroffene minderjährige Kind nicht persönlich angehört (vgl. OLG Saarbrücken DAVorm 2000, 689). Auch bei kleineren Kindern ist nämlich eine Anhörung etwa von einem Alter von drei Jahren ab - in diesem Alter befindet sich D. L. bereits seit April 2006 - für die Entscheidung in Sorgerechtssachen bedeutsam (OLG Saarbrücken, a.a.O.; Engelhardt in: Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 50b Rz. 9 m.w.N.; Zorn in: Jansen, FGG, 3. Aufl., § 50b Rz. 13 m.w.N.). Zumindest musste sich das AG einen unmittelbaren Eindruck von D. L. verschaffen. Schwerwiegende Gründe i.S.d. § 50b Abs. 3 S. 1 FGG, aus denen das AG von einer Anhörung des Kindes absehen durfte, sind nicht ersichtlich und vom AG in den Gründen der angefochtenen Entscheidung auch nicht dargelegt worden (vgl. hierzu Bumiller/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 8. Aufl., § 50b Rz. 5).
Es kann in diesem Zusammenhang dahin stehen, ob vor Erlass der Hauptsachenentscheidung im Hinblick auf einen "Versuch der Kindesanhörung" (vgl. S. 4 des Beschlusses des AG vom 5.9.2007) im einstweiligen Anordnungsverfahren auf die Durchführung einer (weiteren) Kindesanhörung verzichtet werden durfte. Abgesehen davon, dass gegen ein derartiges Absehen von der Kindesanhörung im Hinblick auf die seit dem Erlass der einstweiligen Anordnung am 5.9.2007 bis zum Erlass der Hauptsachenentscheidung am 12.12.2008 verstrichene längere Zeitspanne erhebliche Bedenken bestehen, ist nämlich der wesentliche Inhalt der im einstweiligen Anordnungsverfahren durchgeführten Kindesanhörung nicht vollständig und im Zusammenhang, etwa in Gestalt einer Niederschrift oder eines Vermerks, wiedergegeben. Das stellt einen Verfahrensfehler dar, zumal eine punktuelle Bezugnahme auf einen "Versuch" der Anhörung in den Beschlussgründen der einstweiligen Anordnung nicht genügt (vgl. zum Ganzen BGH FamRZ 2001, 907; OLG Köln FamRZ 1999, 314).
Denselben verfahrensrechtlichen Einwänden unterliegt es, dass auch das Ergebnis der Anhörung der Kindeseltern (§ 50a Abs. 1 S. 1 FGG) vom AG nicht im Zusammenhang dokumentiert wurde.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13a Abs. 1 FGG.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 30 Abs. 2 und 3 KostO.
Fundstellen
Haufe-Index 2185021 |
FamRZ 2009, 2024 |
MDR 2009, 1344 |
ZKJ 2009, 463 |
FK 2010, 18 |
OLGR-Ost 2009, 704 |