Leitsatz (amtlich)
1.
Hat der Amtsrichter das als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommene Urteil (ohne Gründe) unterschrieben und die Akten der Staatsanwaltschaft "gem. § 41 StPO zur Zustellung des Urteils ..." übersandt, ist eine Ergänzung der Urteilsgründe nicht zulässig. Grundsätzlich ist eine nachträgliche Ergänzung eines Urteils weder im Straf- noch im Bußgeldverfahren zulässig, wenn es - wie hier - bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist (BGHSt 43, 22, 26 m. w. N.; BayObLG NStZ 1991, 342). Darauf, dass der Tatrichter das Urteil innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 StPO begründet hat, kommt es dabei nicht an. Etwas anderes gilt im Bußgeldverfahren lediglich dann, wenn ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf schriftliche Begründung des Urteils irrtümlich übersehen worden ist (BGH a. a. O.; ständige Rechsprechung des Senats, zuletzt Beschluss vom 27. Juni 2007 - 1 Ss (B) 212/07 - m. w. N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
2.
Unschädlich ist in solchen Fällen, wenn das Amtsgericht der Staatsanwaltschaft die Akten mit dem Hauptverhandlungsprotokoll oder einem noch nicht wirksamen, z. B. nicht unterschriebenen Urteil formlos übersendet, um deren Entscheidung über einen Rechtsmittelverzicht herbeizuführen (vgl. OLG Celle NStZ-RR 2000, 180; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 212, 213 m. w. N.).
Verfahrensgang
AG Weißenfels (Entscheidung vom 14.05.2007; Aktenzeichen 7 Owi 722 Js 200051/07) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Weißenfels vom 14. Mai 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die bisher zuständige Abteilung des Amtsgerichts Weißenfels zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 14. Mai 2007 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 100,00 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.
Die dagegen gerichtete zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit am selben Tage bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz der Verteidigerin vom 18. Mai 2007 hat mit der erhobenen Sachrüge - vorläufig - Erfolg.
Der Amtsrichter hat das als Anlage III zum Hauptverhandlungsprotokoll genommene Urteil (ohne Gründe) unterschrieben und die Akten mit Verfügung vom 15. Mai 2007 der Staatsanwaltschaft Halle - Zweigstelle Naumburg - "Gem. § 41 StPO zur Zustellung des Urteils v. 14.5.07" übersandt. Auf diesem Urteil befindet sich der Zustellungsvermerk der Staatsanwaltschaft vom 23. Mai 2007.
Damit hat das Amtsgericht rechtsfehlerhaft entgegen § 267 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG das Urteil vor der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nicht mit Gründen versehen. Das Amtsgericht durfte nicht von einer Begründung des Urteils absehen, weil die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG ersichtlich nicht vorlagen. Der Betroffene hatte nicht auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet und die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels war zum Zeitpunkt der richterlichen Verfügung vom 15. Mai 2007 noch nicht abgelaufen.
Bei dieser Sachlage unterliegt das zunächst der Staatsanwaltschaft zugestellte, keine Gründe enthaltende Urteil der Prüfung durch den Senat.
Die vorgenommene Ergänzung des Urteils war nicht zulässig. Grundsätzlich ist eine nachträgliche Ergänzung eines Urteils weder im Straf- noch im Bußgeldverfahren zulässig, wenn es - wie hier - bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist (BGHSt 43, 22, 26 m. w. N.; BayObLG NStZ 1991, 342). Darauf, dass der Tatrichter das Urteil innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 StPO begründet hat, kommt es dabei nicht an.
Etwas anderes gilt im Bußgeldverfahren lediglich dann, wenn ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf schriftliche Begründung des Urteils irrtümlich übersehen worden ist (BGH a. a. O.; ständige Rechsprechung des Senats, zuletzt Beschluss vom 27. Juni 2007 - 1 Ss (B) 212/07 - m. w. N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
Das angefochtene Urteil ist deshalb auf die Sachrüge aufzuheben, weil es in unzulässiger Weise keine Gründe enthält, sodass dem Senat eine Überprüfung des Urteils auf materiell-rechtliche Fehler nicht möglich ist. Zugleich ist die Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, zurückzuverweisen. Die Sache einer anderen als der bisher zuständigen Abteilung des Amtsgerichts zu übertragen, § 79 Abs. 6 OWiG, besteht kein Anlass.
Für das weitere Verfahren in dieser Sache und im Hinblick auf die dem Senat vermehrt vorgelegten Rechtsbeschwerden in gleichgelagerten Fällen weist der Senat darauf hin, dass es unschädlich gewesen wäre, wenn das Amtsgericht der Staatsanwaltschaft die Akten mit dem Hauptverhandlungsprotokoll oder einem noch nicht wirksamen, z. B. nicht unterschriebenen Urteil formlos übersandt hätte, um deren Entscheidung über einen Rechtsmittelverzicht herbeizuführen (v...