Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Identität zwischen statischem und dynamischem Kindesunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Wird Unterhalt als Prozentsatz begehrt und erkennt der Schuldner konkret den Betrag an, der sich aus der Umrechnung ergibt, liegt kein Anerkenntnis im Sinne der ZPO vor, denn statischer und dynamischer Unterhalt sind nicht identisch.
Normenkette
BGB §§ 1612, 1612a
Verfahrensgang
AG Wittenberg (Beschluss vom 15.08.2006; Aktenzeichen 4 F 331/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Wittenberg vom 15.8.2006 aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das AG - FamG - Wittenberg zurückverwiesen.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen
Gründe
Der Antragsteller hat den Antragsgegner außergerichtlich zur Zahlung von Unterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 RegelbetragVO aufgefordert und die Errichtung einer dahingehenden Jugendamtsurkunde verlangt.
Da der Antragsgegner diesem Verlangen nicht nachgekommen ist, hat der Antragsteller unter dem 26.5.2006 (bedingt) Klage eingereicht mit dem Verlangen, den Antragsgegner zur Zahlung eines Unterhalts i.H.v. 100 % des Regelbetrages ab 1.3.2006 sowie zur Zahlung von 207,93 EUR Schadensersatz (vorgerichtlich entstandene Kosten) zu verurteilen und sie von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht.
Noch vor Zustellung der Klage hat der Antragsgegner den Unterhalt beim Jugendamt titulieren lassen, und zwar unstreitig i.H.v. monatlich 269 EUR.
Das AG hat durch den angefochtenen Beschluss den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers zurückgewiesen, weil jedenfalls derzeit Identität zwischen den geforderten und dem titulierten Zahlbetrag bestehe, der Antragsteller zu Unterhaltsvorschusszahlungen nicht vorgetragen habe und die Kindesmutter vorschusspflichtig sei.
Der dagegen eingelegten Beschwerde hat das AG nicht abgeholfen und die Sache vorgelegt.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 und 2 ZPO); sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das AG zwecks weiterer Prüfung und Entscheidung (§ 572 Abs. 1 ZPO).
Denn die angefochtene Entscheidung überzeugt nicht; insb. trägt die Auffassung nicht, dass "... derzeit Identität zwischen gefordertem Zahlbetrag und bezifferten ..." besteht. Statischer und dynamischer Unterhalt sind - auch wenn der hinter einem Prozentsatz stehende zahlenmäßige Unterhaltsbetrag einem statischen Betrag durchaus gleichkommen kann, nicht identisch. Das ergibt sich schon rein begrifflich und auch daraus, dass der Prozentsatz im Gegensatz zum statischen, zunächst unveränderlich feststehenden Unterhalt angibt, in welchem Verhältnis die individuellen Umstände beim Berechtigten zum Regelbetrag der für die Festlegung des Unterhaltstitels maßgebenden RegelbetragVO stehen; dabei ist der Regelbetrag eine bedarfsunabhängige Rechengröße, die weder für den individuellen Bedarf eines Kindes, noch den generellen Bedarf von Kindern steht (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., 2006, § 1612a Rz. 1).
Deshalb also hätte Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden dürfen.
Da im Übrigen das AG Hinweise nach § 139 ZPO bezüglich behaupteter Unterhaltsvorschussleistungen nicht an den Antragsteller gegeben und die Vorschusspflicht der Kindesmutter im Einzelnen wohl nicht geprüft hat, war eine Entscheidung des Senats nicht möglich und das AG hat die Sache erneut zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, § 1 GKG; die Rechtsbeschwerde ist mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 und 2 ZPO nicht zugelassen.
Fundstellen
Haufe-Index 1683617 |
FamRZ 2007, 738 |
OLGR-Ost 2007, 486 |