Leitsatz (amtlich)
1.
Die Pflicht zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses (§ 43 DRiG) ist nicht absolut.
2.
Bei überwiegendem Interesse an der Aufklärung eines schwerwiegenden Tatvorwurfs - hier des Verbrechens der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) - kann es gerechtfertigt sein, in einem Gerichtsverfahren eine Ausnahme von dem Grundsatz des Beratungsgeheimnisses zuzulassen.
3.
Das Beratungsgeheimnis darf aber nicht in einem Ermittlungsverfahren oder in Verfahren bei Verwaltungsbehörden preisgegeben werden.
4.
Hat das Gericht zur besseren Aufklärung der Sache nach § 202 S. 1 StPO angeordnet, zum Beratungshergang und Abstimmungsverhalten einen Richter eines Kollegialgerichts als Zeugen zu vernehmen, trifft diesen keine Aussagepflicht.
Dem Richter steht aber ein Aussagerecht zu. Ob und wieweit der Richter über den Hergang bei Beratung und Abstimmung aussagt, bestimmt er nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall selbst.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Entscheidung vom 20.07.2007) |
Tenor
1.
Die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft gegen den Beschluss der 3. Strafkammer des Landgerichts Halle vom 20. Juli 2007 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten fallen der Landeskasse zur Last.
2.
Der Antrag vom 20. August 2007, K. G. als Nebenkläger zuzulassen, ist erledigt.
Gründe
I.
Mit ihrer bei der Strafkammer des Landgerichts Halle erhobenen Anklage vom 14. November 2006 wirft die Generalstaatsanwaltschaft den Angeschuldigten vor, im Dezember 2004 in Naumburg gemeinschaftlich handelnd sich als Richter bei der Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts gemäß §§ 339, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht zu haben.
Den Angeschuldigten wird zur Last gelegt:
"Im angeführten Zeitraum waren die Angeschuldigten als Richter des 14. Zivil- und zugleich 5. [richtigerweise: 3.] Familiensenats des Oberlandesgerichts Naumburg der sachlich zuständige Rechtsmittelsenat für eine einstweilige Anordnung, die das Amtsgericht Wittenberg am 02. Dezember 2004 in dem familienrechtlichen Umgangsverfahren ...erlassen hatte.
In diesem Beschluss hatte das Familiengericht in Wittenberg - nach den Vorgaben eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2004 (2 BvR 1481/04) - dem Kindesvater K.G. den Umgang mit seinem nichtehelich geborenen leiblichen Sohn (C. F.) gestattet und diesen ausgestaltet.
Gegen die Einstweilige Anordnung legten die Pflegeeltern, die - für das Kind C. F. bestellte - Verfahrenspflegerin und das Jugendamt des Landkreises Wittenberg als Amtsvormund sofortige Beschwerde ein. Zudem hatte das Jugendamt am 26. November 2004 eine - gesetzlich nicht geregelte - "Untätigkeitsbeschwerde" erhoben, die zeitgleich ebenfalls bei dem o. g. Senat anhängig gewesen ist.
Obgleich den Angeschuldigten aufgrund der vorangegangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EMRG, Nr. 74969/01, Urteil vom 26. Februar 2004 - G.) und des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2004 bewusst gewesen ist, dass wegen der Bindungswirkung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte für innerstaatliche Gerichte jede Entscheidung, die im Ergebnis dazu führt, dass K.G. seine Umgangsrechte mit seinem Sohn nicht wahrnehmen kann, diesen in seinen Rechten benachteiligen kann, setzten sie mit Beschluss vom 08. Dezember 2004 ( ... ) zunächst die Vollziehung der einstweiligen Anordnung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 02. Dezember 2004 bis zur Entscheidung über die eingelegten sofortigen Beschwerden wieder aus. Dies geschah, obwohl sie wussten, dass eine Beschwerde gegen den im schriftlichen Verfahren ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg vom 02. Dezember 2004 gemäß § 620c ZPO unzulässig war. Sie beschlossen dann - im Wege der Entscheidung über die Untätigkeitsbeschwerde - wiederum durch erneute Umgehung der Regelung des § 620c Satz 2 ZPO am 20. Dezember 2004 (...und ... ), dass K.G. - bis zu abschließenden Entscheidung im Umgangsrechtsverfahren - keinen Umgang mit seinem Sohn mehr erhält.
Die hierdurch den Beteiligten entstandenen Rechtsfolgen, die die Elternrechte des K.G. einschränkten und die ausgeübten Erziehungsmöglichkeiten der Pflegeeltern stärkten, nahmen sie vorläufig und in Form des vorübergehenden Umgangsausschlusses zumindest billigend in Kauf."
Mit Beschluss vom 20. Juli 2007 hat die Strafkammer des Landgerichts Halle die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Hilfsweise hat sie darauf abgestellt, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens auch aus tatsächlichen Gründen abzulehnen gewesen wäre.
Dagegen wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 24. Juli 2007.
II.
Die gemäß §§ 210 Abs. 2, 311 StPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die vorläufige Tatbewertung ergibt, dass eine Verurteilung der Angeschuldigten nicht zu erwarten ist.
Zwar kann Rechtsbeugung auch durch einen Verst...