Leitsatz (amtlich)
Verweigert der Krankenversicherer nach mehreren Jahren unberechtigt die weitere Erstattung von regelmäßig anfallenden Krankengymnastikkosten, die höhenmäßig die Versicherungsbeiträge überschreiten und fortan vom Versicherungsnehmer persönlich getragen werden, bestehen Bedenken, ob der Versicherer das Ruhen der Leistungen wegen Prämienrückständen feststellen und sich auf einen eingeschränkten Leistungsumfang nach § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG a.F. berufen darf.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 10.07.2013; Aktenzeichen 11 O 438/13) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Magdeburg vom 10.7.2013 - 11 O 438/13, aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers an das LG Magdeburg zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht entstanden. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 2 ZPO zulässig und hat auch in der Sache insoweit Erfolg, als das Verfahren unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gem. § 572 Abs. 3 ZPO zur neuerlichen Entscheidung über das in subjektiver Hinsicht noch aufklärungsbedürftige Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers an das LG zurückzuverweisen war.
Die Begründung in dem angefochtenen Beschluss vom 10.7.2013 (Bl. 148 - 150 d.A.), mit der das LG das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers zurückgewiesen hat, erweist sich in rechtlicher Hinsicht als durchaus problematisch.
Danach soll der geltend gemachte Leistungsanspruch aus einer Krankheitskostenvollversicherung bereits deshalb ausscheiden, weil die Antragsgegnerin wegen Beitragsrückständen das Ruhen der Leistungen festgestellt habe und die umstrittene Gymnastik, Massageleistungen und manuelle Therapie von dem für einen derartigen Fall nach § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG vorgesehenen, eingeschränkten Versicherungsumfang nicht erfasst würden.
Dies mag bei isolierter Betrachtung zutreffen, lässt aber außer Acht, dass sich die Antragsgegnerin offensichtlich zunächst weigerte, künftig die seit Jahren angefallenen und bis dahin von ihr beanstandungslos regulierten Behandlungskosten weiter zu erstatten. Es erscheint zweifelhaft, ob sich die Antragsgegnerin in einer derartigen Konstellation auf einen Prämienrückstand und ein hieran anknüpfendes Ruhen der Leistungen aus der Krankenversicherung erfolgreich berufen kann, wenn sie ihrerseits nicht bereit ist, die Kosten für eine regelmäßig anfallende, zugunsten des Antragstellers an dieser Stelle zu unterstellende, medizinisch notwendige Heilbehandlung, die höhenmäßig sogar über den vereinbarten Versicherungsbeiträgen liegen, zu erstatten. Denn dies hätte für den Antragsteller als Versicherungsnehmer in wirtschaftlich unzumutbarer Weise zur Folge, dass er nicht nur aus eigenen Mitteln, ohne Aussicht auf baldige Erstattung die Kosten für eine medizinisch notwendige Behandlung vorstrecken müsste, sondern darüber hinaus auch noch die laufenden Beiträge an die Antragsgegnerin zu zahlen hätte. Ein derartiges Ergebnis könnte möglicherweise mit den Vorgaben von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr vereinbar sein, da es die Gefahr birgt, dass der vereinbarte Krankenversicherungsschutz hierdurch unzulässig ausgehöhlt würde.
Ebenfalls fraglich erscheint, ob sich die Beklagte auf Grund der besonderen Umstände im Nachhinein, d.h. nach mehreren Jahren und nach eingehender Sachprüfung einer medizinischen Notwendigkeit der begehrten Heilbehandlung, wie mit Schreiben vom 21.3.2013 (Bl. 128 d.A.) geschehen, auf eine fehlende ärztliche Verordnung der betroffenen Leistungen berufen kann, wenn man bedenkt, dass diese seit Jahren in gleicher Weise gewährt und von dem behandelnden Arzt auch gegenüber der Antragsgegnerin als weiterhin medizinisch notwendig bezeichnet wurden (vgl. die Stellungnahme des Dipl.-Med. V. K. vom 1.8.2010, Bl. 69, 70 d.A. und das Attest vom 14.2.2013, Bl. 74 d.A.), und daneben berücksichtigt, dass der Antragsteller erst auf Grund der Weigerung der Antragsgegnerin, weitere Kosten zu übernehmen, von einer ärztlichen Verordnung, die möglicherweise auch zusätzliche finanzielle Aufwendungen für ihn bedeutet hätte, Abstand nahm.
Da das Prozesskostenhilfeverfahren nicht die Aufgabe hat, über derart zweifelhafte und als schwierig einzuschätzende Rechtsfragen bereits abschließend zu entscheiden, darf der vom Antragsteller verfolgten Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 Satz 1 ZPO nicht abgesprochen und Prozesskostenhilfe versagt werden, da anderenfalls ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip zu konstatieren wäre (vgl. BVerfG NJW 2008, 1060; Geimer, in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2013, § 114 Rz. 21 m.w.N.).
Unklar bleibt allerdings weiterhin, ob der Antragsteller nicht in der Lage ist, sich wenigstens ratenweise an den Kosten der beabsichtigten P...