Leitsatz (amtlich)

Gegen eine einzelne Entscheidung innerhalb eines selbständigen Beweisverfahrens i.S.v. §§ 485 ff. ZPO ist die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO mit einer Ausnahme - der Ablehnung des Antrags eines Verfahrensbeteiligten auf Ladung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens - nicht statthaft.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Beschluss vom 21.10.2021; Aktenzeichen 5 OH 11/16)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 21.10.2021 wird verworfen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

III. Der Beschwerdewert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Auf den Antrag der Antragstellerin vom 20.01.2015 hat das Landgericht Halle mit Beschluss vom 01.06.2015 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens angeordnet.

Unter dem 15.11.2019 hat Dr.-Ing. J. W. sein Gutachten und unter dem 19.02.2020 seine Ergänzung zum Gutachten erstattet.

Mit Beweisbeschluss vom 28.04.2020 hat das Landgericht die Einholung eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen angeordnet.

In der Sitzung vom 16.07.2021 hat es den Sachverständigen persönlich angehört.

Mit Beschluss vom 21.10.2021 hat es seinen Beschluss vom 28.04.2020 aufgehoben sowie festgestellt, dass die verfahrensgegenständlichen Beweisfragen beantwortet sind und das selbständige Beweisverfahren damit beendet ist.

Gegen diesen ihr am 03.11.2021 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit am 17.11.2021 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag "Beschwerde" eingelegt.

Mit Beschluss vom 13.12.2021 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

B. Die als sofortige Beschwerde i.S.d. § 567 ZPO auszulegende Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig und daher zu verwerfen.

Gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens, auch eines Ergänzungsgutachtens, gemäß § 412 ZPO ist im selbständigen Beweisverfahren kein Rechtsmittel gegeben.

I. 1. Die Frage, inwieweit gegen einzelne Entscheidungen, die im selbständigen Beweisverfahren i.S.d. §§ 485 ff. ZPO ergehen, die sofortige Beschwerde gemäß § 567 ZPO gegeben ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Während sie von einigen Oberlandesgerichten bejaht wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.12.2007, 4 W 64/07, MDR 2008, 585; OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.08.2008, 10 W 38/08, NJW-RR 2009, 497), wird sie vom Bundesgerichtshof und der Mehrheit der Oberlandesgerichte verneint (BGH, Beschlüsse vom 09.02.2010, VI ZB 59/09, MDR 2010, 767, und vom 20.04.2011, VII ZB 42/09, MDR 2011, 746; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.1997, 22 W 48/97, NJW-RR 1998, 933; OLG Koblenz, Beschluss vom 30.01.2007, 5 W 71/07, MDR 2007, 736; OLG Rostock, Beschluss vom 17.03.2008, 3 W 28/08, MDR 2008, 999; OLG Schleswig, Beschluss vom 10.02.2009, 16 W 18/09, MDR 2009, 1304; OLG Celle, Beschluss vom 28.09.2010, 4 W 168/10, MDR 2011, 318).

2. a) Der Senat schließt sich der überwiegend vertretenen Auffassung und der vom Bundesgerichtshof in seiner vorgenannten Entscheidung vom 09.02.2010 angeführten Begründung an, in der es u.a. heißt:

"Weder ist im Gesetz ausdrücklich bestimmt, dass gegen die im selbständigen Beweisverfahren ergangene Entscheidung, kein weiteres Gutachten gemäß § 412 ZPO einzuholen, die sofortige Beschwerde statthaft ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), noch handelt es sich in diesen Fällen um eine von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfasste Entscheidung. Die Beweismöglichkeiten im selbständigen Beweisverfahren gehen grundsätzlich nicht weiter als im Hauptsacheverfahren. Im Erkenntnisverfahren ist gegen die Ablehnung der Einholung eines neuen Gutachtens grundsätzlich kein Rechtsmittel gegeben. Nach § 492 ZPO folgt die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren den Regeln des Erkenntnisverfahrens. Würde den Parteien im selbständigen Beweisverfahren in Fällen wie hier ein Beschwerderecht eingeräumt, erhielten sie ein Rechtsmittel an die Hand, welches ihnen bei einer Beweiserhebung in der Hauptsache nicht zur Verfügung stünde. Gründe für eine abweichende Regelung im selbständigen Beweisverfahren sind nicht vorhanden. Hält eine Partei die Einholung eines weiteren Gutachtens für notwendig, bleibt es ihr unbenommen, die Gründe dafür gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren vorzutragen und dort die Anordnung der erneuten Begutachtung zu beantragen. Hat dieser Antrag im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg, ist das Unterlassen einer weiteren Begutachtung, das einen revisiblen Verfahrensfehler darstellen kann, im Rechtsmittelverfahren überprüfbar...

Eine verfahrensrechtliche Pflicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens besteht im Hauptsacheverfahren gemäß § 412 ZPO nur ausnahmsweise, nämlich bei besonders schwierigen Fragen, bei groben Mängeln der vorhandenen Gutachten und dann, wenn ein neuer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt...Hin...

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