Leitsatz (amtlich)
1. Eine für alle Elektrogeräte einheitlich geltende Stromkostenpauschale von 2 € pro Gerät, die sich in ihrer Begründung maßgeblich an den Gerätearten mit dem höchsten Energieverbrauch orientiert, verfehlt den mit einer Beteiligung von Strafgefangenen an den von ihnen verursachten Stromkosten verfolgten Zweck und ist unverhältnismäßig.
2. Eine Vereinbarung zwischen Strafgefangenem und Justizvollzugsanstalt, die auf eine solch willkürlich vorgenommene Leistungsbestimmung gestützt ist, ist nichtig. Die Justizvollzugsanstalt kann aus einer derartigen Vereinbarung keinen Anspruch auf Zahlung einer Stromkostenpauschale herleiten.
3. Infolge der Nichtigkeit der Vereinbarung besteht zwischen dem Strafgefangenen und der Justizvollzugsanstalt ein gesetzliches Rückgewährschuldverhältnis. Aus diesem ist die Justizvollzugsanstalt zum Rückgewähr der empfangenen Stromkostenpauschalbeträge verpflichtet.
Verfahrensgang
LG Stendal (Entscheidung vom 05.03.2012; Aktenzeichen 508 StVK 392/11) |
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers wird als unbegründet verworfen, soweit er die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt hat, die bis März 2010 von seinem Hausgeld abgebuchten Stromkosten für das in seinem Besitz befindliche Fernsehgerät und den in seinem Besitz befindlichen Wasserkocher zurück zu buchen.
2. Im Übrigen werden der Beschluss des Landgerichts Stendal vom 5. März 2012 und der Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. März 2011 aufgehoben.
3. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die vom Hausgeld des Antragstellers im Zeitraum vom April 2010 bis Februar 2012 abgebuchten Stromkosten für das in seinem Besitz befindliche Fernsehgerät, den in seinem Besitz befindlichen Wasserkocher und das in seinem Besitz befindliche Radiogerät in Höhe von insgesamt 120,00 € sowie das vom Hausgeld des Antragstellers im Zeitraum vom Januar 2011 bis Februar 2012 abgebuchte Entgelt für einen Kabelanschluss in Höhe von insgesamt 21,00 € zurück zu buchen.
4. Die Landeskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
5. Der Gegenstandswert wird auf 169,00 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller befindet sich im Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt B.. Nach den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer nutzt er mit Erlaubnis der Antragsgegnerin in seinem Haftraum seit September 2010 ein Fernsehgerät und einen Wasserkocher sowie seit Januar 2011 ein Radio. Vor Erteilung der Erlaubnisse hatte der Antragsteller eine "Belehrung" unterzeichnet, wonach Gefangene eine monatliche Energiekostenpauschale von jeweils 2,00 € für die Nutzung von Fernsehgeräten, Radios, Kaffeemaschinen usw. zu entrichten haben und der Antrag auf Erteilung einer Nutzungserlaubnis zugleich das Einverständnis mit der Abbuchung des Geldbetrages beinhalte. Ohne Einverständniserklärung lehnt die Antragsgegnerin die Nutzung von Elektrogeräten in den Hafträumen der Strafgefangenen ab. Seit der Erlaubniserteilung bucht die Antragsgegnerin am 10. eines jeden Monats für jedes Gerät 2,00 € und seit Januar 2011 für den Kabelempfang 1,50 € von Hausgeld des Antragstellers ab.
Am 13. März 2011 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Rückbuchung der abgebuchten Stromkostenpauschalen und ferner des Entgelts für den Kabelanschluss. Die Nutzung der drei Geräte zähle zum Grundbedarf eines Strafgefangenen und sei kostenfrei.
Den Antrag hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. März 2011 abgelehnt und ihre Entscheidung auf die Allgemeinverfügung (AV) des Ministeriums der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. November 2002 - Az.: 4544-304.1 - (JMBl. LSA 2002, 327), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 2007 (JMBl. LSA 2007, 352) gestützt. Gemäß der AV sind Strafgefangene zur Angleichung des Lebens im Justizvollzug an die allgemeinen Lebensverhältnisse an den Kosten des Vollzuges angemessen zu beteiligen, die durch Energieverbrauch infolge Betriebes von Netzstromgeräten entstehen; die Höhe der Kostenbeteiligung wurde einheitlich auf 2,00 € je Gerät festgesetzt, ohne dass es insoweit auf Geräteart und individuellen Verbrauch ankäme. Nach Ansicht der Antragsgegnerin zählten die vom Antragsteller betriebenen Geräte nicht zum Grundbedarf. Die Beteiligung sei angemessen. Ausführungen zum Entgelt für den Kabelanschluss enthält der Bescheid nicht.
Mit dem am 29. März 2011 beim Landgericht Stendal eingegangenen Schreiben vom 22. März 2011 hat der Antragsteller einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung angebracht, mit dem er die Aufhebung der behördlichen Entscheidung und die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt hat, die Beträge zurück zu buchen. Für die Erhebung von Stromkosten bestünde keine Rechtsgrundlage. Es sei unzulässig, die Erlaubnis zum Besitz von Elektrogeräten von der Einwilligung eines Strafgefangenen in die Zahlung der Stromkosten abhängig zu machen.
Die Antragsgegnerin hat in ihrer Erwiderung die Ausführungen aus dem angegriffenen Bescheid konkretisiert und ...