Leitsatz (amtlich)

Verbessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse einer - zunächst - kostenarmen Partei nachträglich, so kann das Gericht zwar keine völlige Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe anordnen, denn eine völlige Aufhebung ist nur unter der Bestimmung zu § 124 ZPO vorgesehen. Das Gericht darf aber eine Begleichung sämtlicher auf die betreffende Partei entfallender fälliger Kosten - mithin eine Nachzahlung aller von der Staatskasse zu tragenden fälligen Gerichts- und Anwaltskosten an die Staatskasse - aus dem Vermögen der betreffenden Partei anordnen.

 

Verfahrensgang

AG Halle-Saalkreis (Entscheidung vom 22.07.2008; Aktenzeichen 27 F 1715/03 S)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Halle (Saale) vom 24. April 2008 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 22. Juli 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

1.

Am 02. April 2003 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Ehescheidung nebst einem Prozesskostenhilfegesuch eingereicht. Mit Beschluss vom 17. Juni 2003 wurde ihr Prozesskostenhilfe mit Raten von EUR 95 monatlich bewilligt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Familiengericht die Ratenzahlungsanordnung mit Beschluss vom 14. August 2003 aufgehoben.

Anschließend hat die Antragstellerin unter dem 23. Februar 2004 Anträge auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt, Hausratsteilung sowie - stufenweise - auf Auskunft und Zahlung von Zugewinnausgleich nebst entsprechenden Prozesskostenhilfegesuchen eingereicht. Mit Beschluss vom 29. Juli 2007 ist ihr auch für diese Folgesachen ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2008 einigten sich die Parteien in den Folgesachen Hausrat und nachehelicher Unterhalt sowie über Trennungsunterhalt durch gerichtlichen Vergleich; unter anderem verpflichtete sich der Antragsgegner, an die Antragstellerin nachehelichen Unterhalt sowie Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt EUR 45.000 zu zahlen.

Das Scheidungsverfahren sowie die Folgesache Versorgungsausgleich wurden mit - rechtskräftigem - Scheidungsverbundurteil vom 28. August 2007 abgeschlossen; in dem Scheidungsverbundurteil ist die Folgesache Zugewinnausgleich abgetrennt worden (§ 628 Nr. 4 ZPO).

Anschließend hat das Familiengericht den Wert des Scheidungsverbundverfahrens mit Beschluss vom 31. August 2007 "vorläufig" folgendermaßen festgesetzt:

Ehescheidung

EUR 9.300

Versorgungsausgleich

EUR 640

Hausratsteilung

EUR 10.000

Ehegattenunterhalt

EUR 10.788

Zugewinnausgleich

EUR 46.441

Sa.

EUR 77.169

Die abgetrennte Folgesache Zugewinnausgleich schwebt noch in erster Instanz.

2.

Mit Verfügung vom 26. März 2008 hat das Familiengericht die Antragstellerin zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO aufgefordert. Daraufhin hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 14. April 2008 eingeräumt, vom Antragsgegner im September 2007 und Januar 2008 die vereinbarten EUR 45.000 erhalten zu haben; diese Summe habe sie allerdings nicht für ihren Lebensunterhalt verwenden müssen, sondern für folgende Zwecke ausgegeben: Für EUR 5.000 habe sie sich neuen Hausrat beschafft, und für die restlichen EUR 40.000 habe sie "Anteile" an dem von ihr bewohnten Haus erworben; die EUR 40.000 hätten ihre Eltern als "Anzahlung" erhalten.

Daraufhin hat das Familiengericht die Prozesskostenhilfebewilligungsbeschlüsse mit Beschluss vom 24. April 2008 dahingehend geändert (§ 120 Abs. 4 ZPO), dass es angeordnet hat, die Antragstellerin möge "aus ihrem Vermögen" einen Betrag von EUR 5.455,16 an die Staatskasse zahlen. Die angebliche Verwendung der vereinnahmten EUR 45.000 sei in Ansehung der auf sie zukommenden Prozesskosten - und somit unter Missbrauch des Rechtsinstituts der Prozesskostenhilfe - geschehen. Den nach Abzug des Schonvermögens verbleibenden Geldzufluss habe die Antragstellerin daher für die Prozesskosten zu verwenden.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 24. April 2008 (§ 127 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet:

1.

Verbessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse einer - zunächst - kostenarmen Partei nachträglich, so kann das Gericht zwar keine völlige Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe anordnen, denn eine völlige Aufhebung ist nur in der Bestimmung zu § 124 ZPO vorgesehen (BGH, NJW 1994, 3292, 3293 f.). Das Gericht darf aber eine Begleichung sämtlicher auf die betreffende Partei entfallender fälliger Kosten (OLG Dresden, FamRZ 2002, 1415, 1416) - mithin eine Nachzahlung aller von der Staatskasse zu tragenden fälligen Gerichts- und Anwaltskosten an die Staatskasse (OLG Celle, Rpfleger 1990, 263 f.) - "aus dem Vermögen" der betreffenden Partei anordnen (§ 120 Abs. 4 ZPO; allg. M., vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 120 Rn 24 m.w.N.).

2.

Das Familiengericht ...

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