Leitsatz (amtlich)
Der Anwaltszwang des § 78 Abs. 1 ZPO ist für das Verfahren vor dem LG und dem OLG durch § 222 Abs. 3 S. 2 BauGB insofern eingeschränkt, als nur diejenigen Beteiligten eines Rechtsanwalts bedürfen, die Anträge in der Hauptsache stellen.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Anfechtung einer vorzeitigen Besitzeinweisung anzuordnen, betrifft aber nicht die Hauptsache und unterliegt deshalb auch im Beschwerdeverfahren vor dem OLG nicht dem Anwaltszwang (OLG Koblenz v. 8.11.1985 - 1 W 599/85 (Baul), NVwZ 1986, 336).
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Beschluss vom 31.01.2005; Aktenzeichen 7 O 2/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Kammer für Baulandsachen des LG Halle vom 31.1.2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Beschwerde wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde ist statthaft und zulässig.
1. Soweit in der Rechtsprechung bisher umstritten war, ob das statthafte Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Kammer für Baulandsachen über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtung einer vorzeitigen Besitzeinweisung die sofortige Beschwerde (OLG Koblenz v. 8.11.1985 - 1 W 599/85 (Baul), NVwZ 1986, 336 L; OLG Jena NVwZ 1998, 771; Kalb in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Loseblattsammlg., Januar 2003, § 224 Rz. 18 f.) oder die einfache Beschwerde (OLG Stuttgart v. 20.4.1983 - 10 W Bau 38/82, NVwZ 1983, 633; OLG Stuttgart v. 6.3.1989 - 10 W (Baul) 23/88, NVwZ 1989, 693) ist, dürfte sich dieser Streit auf Grund der ZPO-Reform zum 1.1.2002 erledigt haben, durch die die einfache Beschwerde entfallen ist. Die Antragstellerin hat ihr Rechtsmittel jedenfalls innerhalb der Frist einer sofortigen Beschwerde eingelegt.
2. Auch in formeller Hinsicht genügt die Beschwerdeschrift, die die Antragstellerin selbst unterzeichnet hat, den Erfordernissen. Der Anwaltszwang des § 78 Abs. 1 ZPO ist für das Verfahren vor dem LG und dem OLG durch § 222 Abs. 3 S. 2 BauGB insofern eingeschränkt, als nur diejenigen Beteiligten eines Rechtsanwalts bedürfen, die Anträge in der Hauptsache stellen (BGH NJW-RR 1994, 1021 [1022]; VersR 1987, 680). Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Anfechtung einer vorzeitigen Besitzeinweisung anzuordnen, betrifft aber nicht die Hauptsache und unterliegt deshalb nicht dem Anwaltszwang (OLG Koblenz v. 8.11.1985 - 1 W 599/85 (Baul), NVwZ 1986, 336). Dies gilt auch im Beschwerdeverfahren vor dem OLG.
II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg, denn die Kammer hat dem Antrag der Beteiligten zu 1) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Besitzeinweisungsbeschluss des Beteiligten zu 3) vom 21.12.2004 sowie auf Aufhebung seiner Vollziehung zu Recht den Erfolg versagt.
1. Um die zwangsweise Verschaffung des tatsächlichen Besitzes bei einer vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 18 FStrG (Fernstraßengesetzes i.d.F. d. Bek. v. 20.2.2003, BGBl. I, 286) zu erleichtern und zu beschleunigen, hat der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung grundsätzlich gem. § 18 Abs. 6a S. 1 FStrG keine aufschiebende Wirkung. Gleiches gilt gem. § 224 S. 1 BauGB im Enteignungsverfahren nach § 116 BauGB. Das Gericht gewährt Rechtsschutz, indem es auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung analog § 8O Abs. 5 VwGO anordnet. Demnach kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn dies bei Abwägung der Interessen der Beteiligten ausnahmsweise geboten erscheint.
2. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.
Der Antrag der Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung gegen die vorläufige Besitzeinweisung hat voraussichtlich keinen Erfolg, wie das LG fehlerfrei festgestellt hat. Der angefochtene Besitzeinweisungsbeschluss erscheint im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig. Er findet seine Grundlage in § 18 f Abs. 1 S. 1 FStrG und hält sich an die Voraussetzungen dieser Regelung.
a) Formale Fehler, die der Wirksamkeit des Besitzeinweisungsbeschlusses entgegen stehen könnten, sind nicht ersichtlich, wie die Kammer mit zutreffender und erschöpfender Begründung festgestellt hat.
b) Auch die materiellen Voraussetzungen für die Besitzeinweisung gem. § 18 f. Abs. 1 FStrG liegen vor.
aa) Der Planfeststellungsbeschluss vom 5.8.2004 ist nicht nur vollziehbar, was gem. § 18 f Abs. 1 S. 2 FStrG ausreicht, sondern sogar bestandskräftig. Er wurde der Beteiligten zu 1) am 6.8.2004 zugestellt. Klage ist nicht erhoben worden.
bb) Aus den vom LG richtig dargestellten Gründen hat auch der Senat keine Zweifel, dass der sofortige Beginn der Maßnahme i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 1 FStrG geboten ist.
(1) Dies ist der Fall, wenn das Wohl der Allgemeinheit ohne die vorzeitige Besitzeinweisung in erheblicher, nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt würde. Ein
Überwiegen des Wohls der Allgemeinheit kann daher nicht allein deshalb angenommen werden, weil die Inanspruchnahme des Grundstücks der A...