Leitsatz (amtlich)
Die persönliche Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GNotKG befreit das Land als gesetzlicher Zwangserbe nicht von der Haftung gemäß § 24 Nr. 9 GNotKG für die Kosten der öffentlichen Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte. Diese Aufforderung gemäß § 1965 Abs. 1 BGB gehört zur Erbenermittlung im Sinne von § 342 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, nicht zu den sonstigen den Nachlassgerichten zugewiesenen Aufgaben im Sinne des § 342 Abs. 1 Nr. 9 FamFG, für die Kostenfreiheit bestünde.
Verfahrensgang
AG Halle (Saale) (Beschluss vom 20.07.2015; Aktenzeichen 40 VI 432/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des AG Halle (Saale) vom 20.7.2015 aufgehoben.
Die Kostenrechnung vom 1.6.2015 (Kassenzeichen:...) behält ihre Gültigkeit.
Gründe
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG Halle (Saale) vom 20.7.2015, mit dem die Kostenrechnung vom 1.6.2015 aufgehoben worden ist, ist nach § 81 Abs. 2 Satz 2 GNotKG zulässig. Über sie hat nach § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG der Einzelrichter des Senats zu entscheiden.
Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Der Kostenansatz in der Rechnung vom 1.6.2015 ist nicht zu beanstanden.
Nach §§ 1 ff. GNotKG i.V.m. Nr. 31004 KVfG/GNotKG sind die Auslagen für öffentliche Bekanntmachungen in voller Höhe anzusetzen, hier in Höhe von 29,75 EUR. Die Kostenhaftung des Beteiligten zu 1) als Erbe folgt dabei aus § 24 Nr. 9 GNotKG i.V.m. § 342 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Dabei steht die persönliche Kosten- oder Gebührenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GNotKG der Inanspruchnahme als Erbe gemäß § 2 Abs. 4 GNotKG nicht entgegen (vgl. OLG Stuttgart, Justiz 1990, 95; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., Rdn. 17 zu § 2 GNotKG, Rdn. 1 und 10 zu § 24 GNotKG; Sommerfeldt, in: Bormann, GNotKG, Rdn. 12 zu § 24 GNotKG; Otto, in: Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl., Rdn. 40 zu § 2 GNotKG; Hellstab, in: Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl., 15 zu § 24 GNotKG; Schneider, Gerichtkosten nach dem neuen GNotKG, § 7 Rdn. 20, § 14 Rdn. 387 f.; Fackelmann, in: NK-GK, Rdn. 68 ff. zu § 2 GNotKG). Unerheblich ist dabei, dass das Land Sachsen-Anhalt nur aufgrund der Ausschlagung der Erbschaft durch die gesetzlichen Erben gesetzlicher "Zwangserbe" geworden ist. Denn das Gesetz enthält insoweit keine Differenzierung.
Das Verfahren zur Erbenermittlung nach §§ 1964 ff. BGB und insbesondere die öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte nach § 1965 Abs. 1 BGB unterfällt auch dem § 342 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Zwar wird in der Literatur zum Teil vertreten, dass die Feststellung des Erbrechts des Fiskus nach §§ 1964, 1965 BGB eine sonstige den Nachlassgerichten zugewiesene Aufgabe im Sinne des § 342 Abs. 1 Nr. 9 FamFG sei, bei der keine Ausnahme von der persönlichen Kostenfreiheit anzunehmen wäre (z.B. Schaal, in Bahrenfuss, FamFG, 2. Aufl., Rdn. 11 zu § 342 FamFG; Fröhler, in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., Rdn. 42 zu § 342 FamFG; Rellermeyer, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl., Rdn. 10 zu § 342 FamFG). Zutreffend wird die öffentliche Bekanntmachung nach § 1965 Abs. 1 BGB aber der Erbenermittlung nach § 342 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zugeordnet (z.B. Bumiller/Harder/Schwamb, FamFG, 11. Aufl., Rdn. 6 zu § 342 FamFG; Bassenge, in: Bassenge/Roth, FamFG, 12. Aufl., Rdn. 5 zu § 342 FamFG; Siede, in: Frieser, Erbrecht, 4. Aufl., Rdn. 21 zu § 342 FamFG; Burandt, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 4. Aufl., Rdn. 2 zu § 342 FamFG; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl., Rdn. 7 und 11 zu § 342 FamFG, äußert sich widersprüchlich: Einerseits ordnet er §§ 1960, 1961, 1964 bis 1966 BGB der Erbenermittlung zu. Andererseits soll die Feststellung des Fiskus nach § 1964, 1965 BGB eine sonstige Aufgabe des Nachlassgerichts sein). Die öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte dient nämlich der Ermittlung eines etwaigen Erben (z.B. Schmidt, in: Erman, BGB, 14. Aufl., Rdn. 1 zu § 1965 BGB; Hönninger, in: JurisPK, BGB, 7. Aufl., Rdn. 1 zu § 1965 BGB; Marotzke, in: Staudinger, Neubearbeitung 2008, Rdn. 3 zu § 1965 BGB; Siegmann/Höger, in: Bamberger/Roth, BGB, Stand 1.5.2012; Rdn. 1 zu § 1965 BGB). Diese Einordnung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. So heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 17/11471, S. 161) zu § 24 GNotKG, dass diese Vorschrift die Regelung des § 6 KostO übernehme. Dabei solle an die Stelle der Verfahren nach § 1964 BGB insgesamt die Erbenermittlung (§ 342 Abs. 1 Nr. 4 FamFG) treten. Die Regelung solle damit für die Erhebung der Auslagen gelten. Da § 6 KostO in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung aber gerade ausdrücklich eine Kostenhaftung der Erben für das Verfahren nach § 1964 BGB vorgesehen hatte, die Neuregelung in § 24 GNotKG aber eher eine Ausweitung der Kostenhaftung der Erben bezweckt hat, ist der Gesetzgeber nicht anders zu verstehen, als dass der Begriff der "Erbenermittlung" in § 24 Abs. 1 Nr. 9 GNotKG auch das vollständige Verfahren nach § 1964 f. BGB, also insbesondere - unverändert - die öffe...