Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungszuweisungsverfahren. Verbraucherinsolvenz. Unterbrechung. Dingliches lebenslängliches Wohnrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Keine Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über das Wohnrecht und seine Ausübung. Keine Insolvenzmasse

 

Leitsatz (amtlich)

Das Hausratsverteilungsverfahren wird durch eine Insolvenzeröffnung grundsätzlich nicht unterbrochen. Dies gilt auch für ein lebenslanges, grundbuchrechtlich gesichertes Wohnrecht, das einem Dritten nicht überlassen werden darf.

 

Normenkette

BGB § 1092 Abs. 1 Sätze 1-2; InsO § 80 Abs. 1, §§ 304, 35; HausratsVO § 2; ZPO § 240

 

Verfahrensgang

AG Schönebeck (Beschluss vom 24.06.2003; Aktenzeichen 5 F 18/01)

 

Tenor

1. Die befristeten Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG – FamG – Schönebeck vom 24.6.2003 werden auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Beschwerdewert beträgt insgesamt 6.000 Euro.

2. Die Wiedereinsetzungsgesuche der Beteiligten werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Nachdem die Ehe der Beteiligten mit – rechtskräftigem – Urteil des FamG vom 15.5.2002 geschieden worden war, hat das FamG mit dem angefochtenen Beschluss die ehemalige eheliche Wohnung in dem – im Miteigentum der Beteiligten stehenden und mit einem lebenslänglichen dinglichen, in das Grundbuch eingetragenen „Wohnungsrecht” der Antragstellerin belasteten – Familienheim gegen eine Ausgleichszahlung von 300 Euro monatlich dem Antragsgegner zugewiesen (§§ 3 ff. HausratsVO). Gegen diesen ihm am 1.9.2003 zugestellten Beschluss ist vom Antragsgegner am 15.9.2003 beim FamG Beschwerde eingelegt worden. Mit einem ebenfalls beim AG eingereichten Schriftsatz vom 23.9.2003 hat sich die Antragstellerin, der die angefochtene Entscheidung am 29.8.2003 zugestellt worden ist, der Beschwerde angeschlossen. Das FamG, das zunächst von der Zulässigkeit der Rechtsmittel ausgegangen ist, hat die Akten erst mit einer Verfügung vom 3.11.2003 an den Senat abgegeben. Die Beschwerden sind erst am 6.11.2003 beim Senat eingegangen.

II. 1.a) Die befristeten Beschwerden der Beteiligten (§ 621 Abs. 1 Nr. 7, § 621e ZPO) sind als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 S. 2, 3, § 621e Abs. 3 S. 2 ZPO), denn sie sind nicht innerhalb der für befristete Beschwerden geltenden Monatsfrist seit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung (§ 517, § 621e Abs. 3 S. 2 ZPO) beim Senat (§ 621e Abs. 3 S. 1 ZPO) eingelegt worden, weil die Beschwerden erst am 6.11.2003 beim Senat eingingen.

Der Lauf der Beschwerdefrist (§ 517, § 621e Abs. 3 S. 2 ZPO) ist auch nicht durch die mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 7.4.2003 eröffnete Verbraucherinsolvenz über das Vermögen der Antragstellerin unterbrochen worden (vgl. § 240, § 249 ZPO). Zum einen besteht in der Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass Bestimmungen der Zivilprozessordnung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich keine Anwendung finden (KG v. 10.11.1987 – 1 W 2414/87, MDR 1988, 329 m.w.N.). Bei dem hier allein in Frage kommenden Unterbrechungstatbestand (§ 240 ZPO) handelt es sich um eine Regelung der Zivilprozessordnung, und das streitig Verfahren (§ 2 HausratsVO; vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Aufl., § 3 HausratsVO Rz. 3) wird nach dem Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrieben (§ 621a Abs. 1 ZPO, § 13 Abs. 1 HausratsVO). Andererseits können echte Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 621e Rz. 52) zwar in entsprechender Anwendung von Vorschriften der Zivilprozessordnung behandelt werden, wenn der Streitgegenstand ein subjektives Recht des Antragstellers betrifft, das allein seiner Verfügung unterliegt (KG v. 10.11.1987 – 1 W 2414/87, MDR 1988, 329 m.w.N.) unter Bezugnahme auf BayObLGZ 1978, 209 [211]), und die Einheitlichkeit sowie die Eigenständigkeit des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit gewahrt bleiben (KG v. 10.11.1987 – 1 W 2414/87, MDR 1988, 329 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Über das dingliche lebenslängliche Wohnrecht der Antragstellerin, das als beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu qualifizieren ist (§ 1092 Abs. 1 BGB), kann die Berechtigte nämlich nicht verfügen (§ 1092 Abs. 1 S. 1 BGB); nicht einmal seine Ausübung darf nach dem notariellen Vertrag, den die Beteiligten am 10.2.1994 geschlossen haben, einem Dritten überlassen werden (§ 1092 Abs. 1 S. 2 BGB). Infolgedessen darf auch der Insolvenzverwalter über das Wohnrecht und seine Ausübung keine Verfügung treffen (§ 80 Abs. 1, § 304 InsO); das Wohnrecht und das Recht zu seiner Ausübung sind also nicht zur Insolvenzmasse (§ 35, § 304 InsO) zu zählen. Folglich besteht auch kein Bedürfnis, dem Insolvenzverwalter in dem vorliegenden Wohnungszuweisungsverfahren (§ 2 HausratsVO) durch eine Unterbrechung des Verfahrens die Möglichkeit einer Aufnahme desselben zu geben (§ 240 ZPO; vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 240 Rz. 1).

b) Die Beschwerden waren daher mit der Kostenfolg...

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