Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat lässt offen, ob der Zuschlag grundsätzlich nur dann vorab gestattet werden kann, wenn der Nachprüfungsantrag offenbar keinen Erfolg hat (so OLG Jena, Beschl. v. 24.10.2003 – 6 Verg 9/03). Jedenfalls kann bei offensichtlicher Begründetheit des Nachprüfungsantrags oder offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens in aller Regel eine vorzeitige Zuschlagserteilung nicht in Betracht kommen.

2. Zum Vorrang der Wahl des Offenen Verfahrens ggü. derjenigen eines Nichtoffenen Verfahrens bei der Vergabe eines Auftrages zur Durchführung von Existenzgründer-Seminaren.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Halle (Aktenzeichen VK Hal 26/03)

 

Tenor

Das Zuschlagsverbot (§ 115 Abs. 1 GWB) wird wiederhergestellt (§ 115 Abs. 2 S. 2 GWB).

Die Kosten des Verfahrens über die vorzeitige Gestattung des Zuschlags trägt der Antragsgegner.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner schrieb im Wege des Nichtoffenen Verfahrens auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) die Vergabe der Maßnahme „Qualifizierung, Betreuung und Begleitung von Existenzgründern/-innen aus Sachsen-Anhalt einschl. der damit verbundenen Dienstleistungen an 13 Standorten im Land” durch Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 4.4.2003 aus.

Im Rahmen dieses Auftrags sollen Existenzgründer im Land Sachsen-Anhalt eine Qualifizierung innerhalb der ersten zwei Jahre ihrer Selbständigkeit erhalten. Die Leistungen der Auftragnehmer sollen laut Ausschreibung an den Standorten Dessau, Bernburg, Bitterfeld, Wittenberg, Halle, Querfurt, Weißenfels, Magdeburg, Halberstadt, Stendal, Salzwedel, Quedlinburg und Eisleben erbracht werden. An den genannten Standorten wurden insgesamt 20 Teillose gebildet. Innerhalb von 45 Monaten, beginnend im Oktober 2003, sollen insgesamt 4.200 Existenzgründer qualifiziert, geprüft, begleitet und betreut werden. Als Los 21 wurde der übergreifende Betrieb einer virtuellen Akademie im Rahmen der Existenzgründerqualifizierung ausgeschrieben.

Die Teilnahmeanträge für den Wettbewerb sollten bis zum 5.5.2003 gestellt werden. Als voraussichtlicher Zeitpunkt für die Versendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe sahen die Ausschreibungsunterlagen den 4.6.2003 vor.

Mit Schreiben vom 4.5.2003 rügte die Antragstellerin ggü. dem Antragsgegner u.a. die Wahl der Vergabeart und die Festlegung der Teillose im Rahmen der Ausschreibung, insb. die Nichtberücksichtigung des Standorts Aschersleben.

Am 23.5.2003 wies der Antragsgegner die vorgebrachten Rügen der Antragstellerin zurück. Zwischenzeitlich hatte die Antragstellerin mit Schreiben vom 5.5.2003 einen Teilnahmeantrag für den Wettbewerb hinsichtlich der Lose 3 (Bernburg) und 5 (Quedlinburg) sowie 21 (Kooperation von Bildungseinrichtungen) gestellt.

Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbes teilte der Antragsgegner der Antragstellerin durch Schreiben vom 8.7.2003 mit, dass ihre Bewerbung erfolglos geblieben sei. Begründet wurde die Nichtberücksichtigung der Bewerbung mit dem Fehlen geforderter Nachweise.

Mit weiteren Rügeschreiben vom 11.7.2003 und 14.7.2003 beanstandete die Antragstellerin ggü. dem Antragsgegner die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung und forderte den Antragsgegner gleichzeitig erfolglos dazu auf, mitzuteilen, auf Grund welcher konkreten Umstände die Ablehnung erfolgt sei und welche Mitbewerber er bevorzugt habe.

Am 6.8.2003 stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer. Sie berief sich darauf, dass die Wahl des Vergabeverfahrens und auch die Festsetzung der Teillose vergaberechtswidrig sei. Außerdem hat die Antragstellerin gemeint, sie sei zu Unrecht ausgeschlossen worden.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegen getreten und hat die Wahl des Nichtoffenen Verfahrens mit dem Erfordernis der außergewöhnlichen Fachkunde begründet, die den Kreis der geeigneten Bewerber ganz erheblich einschränke. Die Struktur der losweisen Einteilung beruhe auf dem Erfordernis, die bisherige Anzahl der Standorte, an denen Existenzgründermaßnahmen stattfinden, aus finanziellen Gründen zu reduzieren. Eine Aufforderung zur Angebotsabgabe sei ggü. der Antragstellerin nicht erfolgt, da diese die in der Bekanntmachung unter Ziff. III. 2) geforderten Eignungsnachweise nicht vollständig vorgelegt habe.

Am 30.9.2003 hat der Antragsgegner bei der Vergabekammer einen Antrag gem. § 115 Abs. 2 GWB auf Vorabgestattung des Zuschlags gestellt. Hierzu hat er ausgeführt, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ein schnelles Handeln unverzichtbar mache. Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Eckdaten müsse man dem Umstand entgegenwirken, dass Sachsen-Anhalt über die niedrigste Selbstständigenquote im Bundesgebiet verfüge und die Zahl der Unternehmensschließungen die der Neuanmeldungen übersteige. Die Ursache dieser Entwicklung liege im Wesentlichen in den nur unzureichend vorhandenen unternehmerischen Kenntnissen der Personen, die bereit seien, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Das bisher verfolgte System habe sich daher...

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