Leitsatz (amtlich)
Ein Versäumnisurteil darf regelmäßig nicht unmittelbar nach dem Aufruf der Sache ergehen. Vielmehr ist eine gewisse Wartezeit einzuhalten, die üblicherweise 15 Minuten beträgt. Auch wenn es mittlerweile üblich ist, auch kleinere Verspätungen mittels Mobiltelefon anzuzeigen, vermag dies den gewohnheitsrechtlichen Charakter der Wartepflicht nicht zu entkräften.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 06.09.2013; Aktenzeichen 2 O 594/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau vom 6.9.2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 30.8.2013 als unbegründet abgewiesen wird.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 11.842,55 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin hat vor dem LG Dessau Klage erhoben und begehrt in der Hauptsache die Verurteilung des Beklagten zu 1) zur Zahlung von 11.842,55 EUR und daneben die gesamtschuldnerische Verurteilung des Beklagten zu 2) zur Zahlung von 3.321,83 EUR.
Nach Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens war Termin zur mündlichen Verhandlung am 5.7.2013 auf 10.00 Uhr anberaumt. Die Einzelrichterin hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.7.2013 (Bl. 123f d.A.) ist beurkundet, dass der Klägervertreter den Sitzungssaal um 10.04 Uhr betreten, den Erlass des Versäumnisurteils vor Ablauf einer Wartezeit von 15 Minuten beanstandet und zu den Gründen seiner Verspätung ausgeführt hat.
Die Klägerin hat nachfolgend schriftsätzlich die Ansicht vertreten, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen sei, weil es vor Ablauf einer viertelstündigen Wartefrist nicht habe erlassen werden dürfen. Sie hat ihre Auffassung von der Existenz einer solchen Wartepflicht mit Fundstellen aus Rechtsprechung und Literatur unterlegt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den zur Begründung des Einspruchs vorgelegten Schriftsatz der Klägerin vom 16.7.2013 (Bl. 133 ff. d.A.) verwiesen.
Nachdem die Parteien am 16.8.2013 vor dem erkennenden Gericht über den Einspruch der Klägerin und zur Hauptsache mündlich verhandelt haben, hat die Klägerin unter dem 30.8.2013 die Einzelrichterin der 2. Zivilkammer abgelehnt. Sie hege die Besorgnis der Befangenheit, die sich aus einem Gespräch ergebe, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am Ende des Termins mit der Richterin geführt habe, nachdem die Sitzung geschlossen gewesen sei. Auf ihre Rechtsauffassung zur Gesetzmäßigkeit des mit dem Einspruch angefochtenen Versäumnisurteils angesprochen, habe die Richterin zu erkennen gegeben, die gewählte Vorgehensweise für richtig zu halten. Das Versäumnisurteil habe unmittelbar nach dem Aufruf der Sache erlassen werden dürfen, da im Zeitalter des Mobiltelefons die Ankündigung einer Verspätung zumutbar und möglich sei. Die im Sinne einer ungeschriebenen Wartepflicht streitende Kommentierung sei überholt. Sinngemäß vertritt die Klägerin die Ansicht, in dem geschilderten Gespräch komme zum Ausdruck, dass die Richterin nicht bereit sei, durch die Anerkennung der Wartepflicht ausreichenden Zugang zum gerichtlichen Verfahren zu gewähren. Die im Gespräch vermittelte Einstellung der Richterin lasse eine Wiederholungsgefahr befürchten.
In der angefochtenen Entscheidung, der Klägerin zugestellt am 12.9.2013, hat die 2. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau in der Besetzung ohne die abgelehnte Richterin das Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe ihr Ablehnungsgesuch, das auf einen Verstoß gegen die allgemein übliche Wartezeit vor der Säumnisentscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 5.7.2013 gestützt sei, gem. § 43 ZPO dadurch verloren, dass sie sich im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und zur Hauptsache zur Sache eingelassen habe. In einer Hilfserwägung ist in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Inhalt des im Anschluss an die Verhandlung über den Einspruch geführten Gesprächs die Besorgnis der Befangenheit auch inhaltlich nicht rechtfertige, weil die darin zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung nicht auf Voreingenommenheit oder Willkür beruhe. Dies ergebe sich nicht zuletzt daraus, dass sie in näher bezeichneter Rechtsprechung eine Stütze finde.
Mit ihrer am 26.9.2013 angebrachten sofortigen Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat, verfolgt die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch unter Vertiefung ihres Vorbringens weiter.
Der Senat hat die dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterin eingeholt und den Beteiligten mitgeteilt. Auf ihren Inhalt (Bl. 16f SH) wird verwiesen.
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den angefochtenen Beschluss der 5. Zivilkammer ist zulässig. Die Statthaftigkeit der gem. § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde ergibt sich aus den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 46 Abs. 2 ZPO.
Im Ergebnis ist der sofortigen Beschwerde jedoch kein Erfolg beschieden, weil da...