Leitsatz (amtlich)

Es reicht für die Annahme der Befangenheit eines weltweit tätigen Sachverständigen für die Bewertung von Anlagen nicht aus, dass er von einer Partei, die selbständige Konzerngesellschaft einer großen Aktiengesellschaft ist, vorgeschlagen wurde und vorher für eine andere Konzerngesellschaft in den letzten 14 Monaten zweimal Beweissicherungsgutachten erstattet hatte.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Beschluss vom 10.10.2012; Aktenzeichen 11 O 2204/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dr.-Ing. E. Sch. zurückweisenden Beschluss des LG Magdeburg vom 10.10.2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte in dem Ausgangsverfahren vor dem LG Magdeburg aus abgetretenem Recht wegen der Vernichtung mehrerer Krane und Transportwagen auf Zahlung von 100.000 EUR in Anspruch. Sie wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Gesuchs auf Ablehnung des Sachverständigen Dr.-Ing. E. Sch., der mit der Feststellung des Wertes der Anlagen gerichtlich beauftragt worden ist.

Am 5.6.2012 hat das LG Magdeburg Beweisbeschluss erlassen und den Parteien nachgelassen, sich binnen drei Wochen zur Auswahl des zu benennenden Sachverständigen zu äußern. Die Streithelferin der Beklagten, die selbständige Konzerngesellschaft der ... AG ist, hat mit Schriftsatz vom 3.7.2012 gegenüber dem LG u.a. Dr.-Ing. E. Sch. als Sachverständigen vorgeschlagen.

Durch ergänzenden Beweisbeschluss vom 6.7.2012 hat das LG Dr.-Ing. E. Sch. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Auf diesen und den zugrunde liegenden Beweisbeschluss vom 5.6.2012 wird Bezug genommen. Eine Abschrift des ergänzenden Beweisbeschlusses wurde an den Klägervertreter am 11.7.2012 versandt. Mit Schreiben vom 19.7.2012, eingegangen beim LG am selben Tag, ersuchte der Klägervertreter wegen der behaupteten Konzernzugehörigkeit der Beklagten und deren Streithelferin um Aufklärung, ob der Sachverständige bereits im Auftrag der ... AG oder einer deren Konzerngesellschaften Gutachten erstellt oder sonstige Tätigkeiten entfaltet habe. Hierzu hat der Sachverständige unter Hinweis auf seine Unabhängigkeit mit Schreiben vom 2.8.2012, dem Klägervertreter zugestellt am 23.8.2012, gegenüber dem LG erklärt, die auf der Homepage der ... AG aufgeführten Tochterunternehmen mit seiner Auftraggeberliste für Privatgutachten abgeglichen und hierbei festgestellt zu haben, im Januar 2011 und im März 2012 jeweils für die P. GmbH - einem selbständigen Unternehmen der ... AG - ein Beweissicherungsgutachten erstellt zu haben.

Innerhalb der ihr eingeräumten zweiwöchigen Stellungnahmefrist hat die Klägerin mit Schreiben vom 6.9.2012, eingegangen beim LG am selben Tag, den Sachverständigen Dr.-Ing. E. Sch. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie hat hierzu im Wesentlichen erklärt, der Sachverständige könne - wie in der jüngsten Vergangenheit - wegen der zentralen Vergabe von Gutachtenaufträgen durch die entsprechende Abteilung der ... AG, die einer der größten Arbeitgeber im Raum I. sei, regelmäßig mit deren Aufträgen rechnen, unabhängig davon, welche konkrete Konzerngesellschaft betroffen sein würde. Die Beklagte und die Streithelferin würden sich von dem - von der Streithelferin offensichtlich in Kenntnis dessen Tätigkeit für den ... -Konzern - vorgeschlagenen Sachverständigen ein für sie günstiges Gutachten erhoffen. Nicht von sich aus, sondern erst auf Initiative der Klägerin habe der Sachverständige seine Tätigkeit für die Beklagtenseite offenbart. Dieses Verhalten begründe bei der Klägerin die Sorge der Befangenheit.

Der Sachverständige hat mit Schreiben vom 14.9.2012 erklärt, den ersten Gutachtenauftrag von der ... Flachstahl GmbH im Namen und auf Rechnung der P. GmbH und den zweiten direkt von dieser erhalten zu haben. Er sei international und weltweit tätig und könne spätere Anfragen von Unternehmen der ... AG nicht ausschließen. Die allgemeine Vergabepraxis für Gutachtenaufträge innerhalb des ... -Konzerns sei ihm nicht bekannt. Stets achte er darauf, ob aus einem Verhältnis zu den Prozessbeteiligten ein Ablehnungsgrund zu erkennen sei. In der Vergangenheit habe er während anhängiger Verfahren auch stets Anfragen offengelegt, wenn ein Zusammenhang zu den Parteien erkennbar gewesen sei. Vorliegend sei ihm vor der Anfrage der Klägerin nicht klar gewesen, dass es zwischen den Beweissicherungsverfahren und den Parteien einen Zusammenhang geben und der Anschein der Besorgnis der Befangenheit aufkommen könnte. Dies sei für ihn nicht offenkundig geworden.

Die Streithelferin der Beklagten hält das Ablehnungsgesuch für verfristet und für unbegründet. Für den Sachverständigen sei nicht erkennbar gewesen, dass die P. GmbH eine Schwestergesellschaft der Streithelferin ist. Der Sachverständige sei auf seine Unparteilichkeit vereidigt. Die Tätigkeit zu Beweissicherungszwecken sei geringfügig gewesen. Der Sachverständige h...

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