Leitsatz (amtlich)
Die besondere seelische Ausnahmesituation, in der sich ein Zeuge bei einem plötzlichen Versterben eines nahen Angehörigen befindet, muss grundsätzlich im Rahmen des § 381 ZPO auch durch Gerichte berücksichtigt werden.
Verfahrensgang
LG Dessau (Beschluss vom 30.12.2004; Aktenzeichen 6 O 1059/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Zeugen U. F. und S. F. wird der Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Dessau vom 30.12.2004 (Zweiter Ordnungsmittelbeschluss) aufgehoben.
Der Beschwerdewert wird auf 700 EUR festgesetzt.
Gründe
A. In dem dem Ordnungsmittelbeschluss zugrunde liegenden Ausgangsverfahren nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung restlichen Werklohnes für verschiedene gesondert in Auftrag gegebene Zusatzarbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung eines Swimmingpools in dem Bauvorhaben des Beklagten in Anspruch.
Das LG hat mit Beweisbeschluss vom 14.5.2004 die Vernehmung der von dem Beklagten benannten Zeugen U. und S.F., der Ehefrau und des Sohnes des Beklagten, angeordnet. Nachdem der ursprünglich anberaumte Beweisaufnahmetermin mehrfach verlegt werden musste, hat das LG mit Verfügung vom 23.6.2004 den Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf Freitag, den 17.9.2004, 11.00 Uhr bestimmt und die Zeugen U. und S.F. hierzu auf 12.00 Uhr geladen.
Die Zeugen U. und S.F. sind zu dem Beweisaufnahmetermin nicht erschienen. Um 11.50 Uhr ging in der Geschäftsstelle der 6. Zivilkammer eine telefonische Nachricht des Beklagten ein, mit der er die Verhinderung der Zeugen aus gesundheitlichen Gründen wegen einer akuten Durchfallerkrankung anzeigte. Das LG hat aufgrund des Nichterscheinens der Zeugen F. die Vertagung der mündlichen Verhandlung beschlossen. Er hat zugleich darauf hingewiesen, dass er sich die Entscheidung über die Verhängung eines Ordnungsgeldes vorbehalte.
Mit Beschluss vom 9.12.2004 hat das LG gegen die Zeugen U. und S.F. wegen unentschuldigten Fernbleibens im Termin der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme von Freitag, den 17.9.2004 ein Ordnungsgeld i.H.v. jeweils 150 EUR und für den Fall der Nichtbeitreibung des Ordnungsgeldes Ordnungshaft verhängt und den Zeugen ferner die durch ihr Nichterscheinen im Termin vom 17.9.2004 verursachten Mehrkosten auferlegt.
Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass aufgrund der Darstellung des Klägervertreters aus dessen Schriftsatz vom 20.9.2004 durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der behaupteten krankheitsbedingten Verhinderungsgründe aufgekommen seien. Der Beklagte und die Zeugen hätten diese Zweifel innerhalb der eingeräumten Stellungnahmefrist nicht auszuräumen vermocht.
Die gegen den Ordnungsmittelbeschluss eingelegte sofortige Beschwerde der Zeugen hat der Senat mit Entscheidung vom 15.2.2005 (10 W 6/05) zurückgewiesen.
Mit Verfügung vom 27.9.2004 hat das LG Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf Freitag, den 10.12.2004 anberaumt und die Zeugen U. und S.F. hierzu erneut geladen. Unter dem 8.12.2004 hat der Beklagte erneut um die Verlegung des Termins im eigenen Namen und im Namen der Zeugen U. und S.F. nachgesucht und seinen Terminsverlegungsantrag mit dem plötzlichen Versterben des Vaters der Zeugin U.F., Herrn D.Fr. begründet. Das LG hat mit einem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 9.12.2004 darauf hingewiesen, dass eine Terminsverlegung nicht in Betracht komme, da weder dargetan noch ersichtlich sei, dass die Vernehmungsfähigkeit der beiden Zeugen aufgrund des Todesfalles ausgeschlossen sei. Im Übrigen hat das LG den Beklagten aufgefordert, den Todeszeitpunkt des Schwiegervater glaubhaft zu machen. Der Beklagte sowie die Zeugin U.F. haben ihre Bitte um Verlegung des Beweisaufnahmetermins mit weiterem Telefaxschreiben vom 9.12.2004 wiederholt. Sie tragen vor, dass der Todesfall die Familienmitglieder stark mitgenommen habe und sich die Zeugen wegen der damit einhergehenden "psychischen und physischen Belastungen" zu einer Vernehmung außerstande sehen würden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ihnen derzeit auch die Betreuung der pflegebedürftigen Mutter der Zeugin F. obliege. Mit weiterem Telefaxschreiben vom 9.12.2004 hat der Beklagte die erforderte Sterbeurkunde des verstorbenen Schwiegervaters D. Fr. dem LG übermittelt und ferner die Übersendung ärztlicher Atteste über die Vernehmungsunfähigkeit der Zeugen und ein Gutachten über die Pflegebedürftigkeit der hinterbliebenen Ehefrau des Verstorbenen angekündigt.
Dem auf den 10.12.2004 anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme sind die Zeugen U. und S.F. sodann erneut ferngeblieben.
Das erkennende LG hat daraufhin mit einer an den seinerzeitigen Beklagtenvertreter, Herr Rechtsanwalt B. übermittelten Schreiben den Zeugen Gelegenheit eingeräumt, die angekündigten Atteste bis zum 22.12.2004 zur Akte zur reichen, und darauf hingewiesen, dass anschließend über die erneute Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen des wiederholten Ausbleibens der Zeugen entschie...