Normenkette
BGB § 1766a
Verfahrensgang
AG Oschersleben (Beschluss vom 19.01.2021; Aktenzeichen 34 F 130/20 AD) |
Tenor
Die Beschwerde des Annehmenden gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Oschersleben vom 19.01.2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Annehmenden auferlegt.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 19.01.2021 hat das Amtsgericht einen Antrag des Annehmenden auf Adoption des Kindes J. B., dessen leiblicher Vater der Annehmende ist, zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde. Die Kindesmutter, die den auf Adoption durch den Annehmenden gerichteten Antrag gemeinsam mit dem Annehmenden und mit Zustimmung ihres von ihr getrennt lebenden Ehemannes, des rechtlichen Vaters von J., eingereicht hat, unterstützt die Beschwerde. Das Jugendamt des Landkreises H. tritt der Beschwerde entgegen.
II. Die durch den beurkundenden Notar B. W. eingelegte Beschwerde gegen den den Adoptionsantrag vom 13.07.2020 als unbegründet zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Oschersleben vom 19.01.2021 ist als für den Annehmenden eingelegt zulässig (vgl. §§ 59 Abs. 2, 10 Abs. 2 Nr. 3, 378 Abs. 2 FamFG, § 1752 Abs. 1 BGB; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Auflage, § 59 Rn. 68; Keidel/Heinemann, a.a.O., § 378 Rn. 14). Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine Annahme des Kindes J. B. durch dessen leiblichen Vater sind nicht nur gemäß § 1741 Abs. 2 S. 2 BGB nicht gegeben, wie bereits das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführt; auch gemäß § 1766a BGB sind die Voraussetzungen für eine Annahme des Kindes nicht erfüllt. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1766a Abs. 1 BGB liegt gemäß § 1766a Abs. 2 S. 2 BGB entsprechend dem dort normierten Regelfall nicht vor, da die Kindesmutter noch mit dem rechtlichen Vater von J. verheiratet ist.
Wie sich aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages (19. Wahlperiode) vom 12.02.2020 - Drucksache 19/17154 - ergibt, ist eine fortbestehende Ehe oder Lebenspartnerschaft nur dann kein Hinderungsgrund für eine verfestigte Lebensgemeinschaft, wenn sich die Verwehrung der Adoption aufgrund des nur noch formal bestehenden Ehebandes mit Blick auf das Kindeswohl bei Abwägung aller Umstände als unvertretbar darstellt (BT-Drs 19/17154, 7). Das ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zufolge nur in besonderen Härtefällen gegeben, wenn z.B. bei Auflösung der Ehe ein Suizid ernsthaft zu befürchten ist oder der Dritte aus religiösen Erwägungen am formalen Eheband festhalten möchte. Ohne dass es sich aus dem Wortlaut entnehmen lässt, verdeutlicht die Gesetzesbegründung, dass die in § 1766a Abs. 2 S. 2 BGB genannte Regelsituation nur Ausnahmefälle erfassen soll (Erman/Teklote, BGB, 16. Auflage, § 1766a Rn. 7 f.), womit gemeint ist, dass von der Regel nur in Ausnahmefällen abgewichen werden soll. Das bloße, auch länger andauernde Getrenntleben allein genügt nicht (Löhnig, in: beckonline-Großkommentar, Stand 01.11.2020, § 1766a Rn. 16), auch nicht die Anhängigkeit des Scheidungsantrags (Palandt/Götz, BGB, 80. Auflage, § 1766a Rn. 5). Bei einem derartig neuen Gesetz wie dem § 1766a BGB, der erst mit Wirkung vom 31.03.2020 in Kraft getreten ist, kommt der historischen Auslegung und damit dem Willen des Gesetzgebers besondere Bedeutung zu. Dass hier eine Ausnahmesituation der in der Beschlussempfehlung beschriebenen Art bestehen soll, in der der rechtliche Vater am formalen Band der Ehe festhält und deshalb eine Adoption durch den leiblichen und sozialen Vater trotz Fortbestehens der Ehe ermöglicht werden soll, ist nicht ersichtlich. Dass der rechtliche Vater aus Gründen, die ähnlich gewichtig sind wie Suizidgefahr im Fall der Scheidung oder das Festhalten am formalen Band der Ehe aus religiösen Gründen, der besonderen Rücksichtnahme bedürfen soll, dass also ein besonderer Härtefall vorliegen soll, ist ebenfalls nicht ersichtlich; es war der Ehemann, der als erster den Scheidungsantrag gestellt hat. Dies trägt die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 25.02.2021 vor; sie habe unverzüglich nach Zustellung des Scheidungsantrags einen gleichlautenden Antrag gestellt. Es habe an den notwendigen Mitwirkungshandlungen des Ehemannes bei der Klärung der Anwartschaften im Versorgungsausgleich gefehlt. Bis heute sei kein Scheidungstermin anberaumt. Diese Umstände lassen nicht erkennen, dass ein der gesetzlichen Regel entsprechendes Zuwarten mit einer Adoption bis zur Ehescheidung sich mit Blick auf das Kindeswohl als unvertretbar darstellen soll. Dass das Kindeswohl zwingend eine Adoption durch den leiblichen Vater vor Rechtskraft der Ehescheidung nahelegen soll, ist nicht ersichtlich. Die von der Kindesmutter beschriebenen praktischen Probleme, den rechtlichen Vater zur Mitwirkung an sorgerechtlichen Entscheidunge...