Verfahrensgang
2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 27.09.2016) |
Tenor
Das Nachprüfungsverfahren und damit auch die gegen den Beschluss der zweiten Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt vom 27.9.2016 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin haben sich durch Erteilung des Zuschlags erledigt.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Senat einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen.
Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten war auch im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.
Der Gegenstandswert wird auf 27.872,84 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Der Antragsgegner schrieb mit europaweiter Bekanntmachung vom ... im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union die Lieferung von ... im offenen Verfahren aus. Die Auftragsbekanntmachung sandte der Antragsgegner am 15.4.2016 zur Veröffentlichung ab.
Die im offenen Vergabeverfahren zu beschaffende Schutzausstattung soll dem körperlichen Schutz von Polizeivollzugsbeamten des Landes Sachsen-Anhalt im Einsatz dienen und besteht aus einer Basisweste, Armprotektoren, Beinprotektoren, dem Unterleibschutz für Damen oder Herren, einer Bereitschaftstasche und einem Halsschutz nach zuvor ermitteltem Größenschlüssel für die unterschiedlichen Konfektionsgrößen. In der Bekanntmachung waren unter Abschnitt IV Ziffer 2.1. als Zuschlagskriterien genannt:
"wirtschaftlich günstiges Angebot in Bezug auf die nachstehenden Kriterien:
15.1. Preis Gewichtung: 45
2.2 Material Gewichtung: 50
3.3 Logistik Gewichtung: 5"
Unter Abschnitt II Ziffer 1.5 der öffentlichen Bekanntmachung war vermerkt, dass die Bewertungskriterien für das Angebotsmuster der beigefügten Anlage 2 zu entnehmen seien. In Blatt 1 zu Anlage 2 war hierzu eine Abstufung der Wichtigkeit des Angebotsmusters vorgesehen, und zwar von 4 = besonders wichtig über 3 = sehr wichtig, 2 = wichtig bis hin zu 1 = weniger wichtig. Im Hinblick auf die technischen Forderungen an das Angebotsmuster nahm Blatt 1 der Anlage 2 unter Ziffer 1.1 folgende Zuordnung der Bewertungskriterien nach deren Wichtigkeit vor:
"Bewertungskriterium
Wichtigkeit
Material
Verarbeitung
Gebrauchsfähigkeit/Funktionalität
Passform
Optik
2"
Gemäß Ziffer 1.2 sollte die Bewertung nach einem Notensystem erfolgen, wobei der Zahl 5 die Note sehr gut, der Zahl 4 die Note gut, der Zahl 3 die Note befriedigend, der Zahl 2 die Note ausreichend und der Zahl 1 die Note mangelhaft zugewiesen war. Die Endzahl für die Punktebewertung sollte sich ausweislich Ziffer 2.1 von Blatt 2 der Anlage 2 sodann aus einer Multiplikation der Wichtigkeitszahl mit der den Bewertungskriterien zugewiesenen Note ergeben. Die Punktebewertung aus diesem Produkt war wie folgt erläutert:
"voll erfüllt
= 72 - 75 Punkte
erfüllt
= 67 - 71 Punkte
überwiegend erfüllt
= 60 - 66 Punkte
teilweise erfüllt
= 50 - 59 Punkte
nicht erfüllt
= O - 49 Punkte"
Weiterführende Angaben, Unterteilungen, Erläuterungen finden sich in der Bewertungsmatrixnicht.
Zur Beschaffenheit des Artikels "Schlag- und Stichschutzausrüstung" - Leichte Ausführung in der Farbe RAL 5004 Schwarzblau" sah das Formblatt "Angebot" der Anlage 2 unter anderem folgende Vorgabe vor:
"1. Basisweste
gem. TR "Körperschutzausstattung"
Stand: November 2009
Aktuelle VPAM: KDIW 2004 (18.05.2011)."
Unter dieser Position war ferner vermerkt:
"Die technischen Forderungen lt. TR sind für alle verwendeten Materialien durch Datenblätter und Zertifikate nachzuweisen. Die Nachweise sind mit der Angebotsabgabe einzureichen. Ohne Nachweise und Zertifikate erfolgt keine Wertung des Angebots."
Noch vor der Versendung und Veröffentlichung der Bekanntmachung vom ... hatte sich die Antragstellerin in einem Rundschreiben vom 14.4.2016 an die Beschaffungsstellen und Bedarfsträger von Bund und Ländern, darunter auch den Antragsgegner, gewandt und darüber informiert, dass das Prüfverfahren nach der Richtlinie "Stich- und Schlagschutz/Klinge-Dorn-Injektions-Würfel 2004", Stand 18.5.2011 der Vereinigung der Prüfstelle für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen (VPAM, im Folgenden: VPAM: KDIW 2004, 18.05.2011) mit "eklatanten" Mängeln behaftet sei. Die Antragstellerin verfolgte mit diesem Rundschreiben den Zweck, ihre potenziellen Kunden über die im Rahmen einer von ihr beauftragten Produktprüfung zutage getretenen Mängel im technischen Prüfungsaufbau und in der Dokumentation der Funktionsprüfung zu unterrichten. Sie führte insbesondere aus, dass aufgrund der festgestellten Mängel im Prüfverfahren keine Vergleichbarkeit mit den Prüfergebnissen inländischer und anderer ausländischer Prüfämter und damit keine Markttransparenz gewährleistet sei.
Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf das "Rundschreiben an öffentliche Auftraggeber in Sachen Ungereimtheiten der Prüfrichtlinie VPAM KDIW 2004" nebst dem Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei D. vom 11.4.2016 - Anlage Ast. 4 der Verfahrens...