Verfahrensgang
LG Stendal (Entscheidung vom 07.04.2008; Aktenzeichen 501 KLs 19/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stendal vom 07. April 2008 insoweit aufgehoben, als darin der Antrag auf Erstattung von Reisekosten, Abwesenheitsgeld und Kosten für Übernachtungen des Verteidigers, Gerichtskosten für die Übersendung von Akten vollständig und von Kosten der Rücksprache des ehemaligen Angeklagten mit seinem Verteidiger hinsichtlich des erstinstanzlichen- und des Revisionsverfahrens teilweise zurückgewiesen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren, auch zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Stendal zurückverwiesen.
Gründe
Mit rechtskräftigem Urteil vom 17. April 2007 hat die erste große Strafkammer des Landgerichts Stendal den ehemaligen Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt und ferner entschieden, dass der Angeklagte im Rahmen seiner Verurteilung die dahingehenden Kosten des Verfahrens zu tragen habe, während die übrigen Verfahrenskosten und 4/5 der dem ehemaligen Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt wurden.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07. April 2008 hat die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Stendal die dem Angeklagten aufgrund des vorgenannten Urteils zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 5.381,28 Euro festgesetzt, wobei beantragte Reisekosten, Übernachtungskosten und Abwesenheitsgelder des Verteidigers sowie Kosten für die Übersendung der Verfahrensakten vollständig und die Kosten von Fahrten des ehemaligen Angeklagten zu seinem Verteidiger teilweise in Höhe von insgesamt 1.440,04 Euro abgesetzt wurden.
Die gegen die Versagung der Erstattung der vorgenannten Kosten gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. April 2008 ist zulässig (§§ 464 b S. 3, 311 Abs. 2 StPO, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG) und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Inwieweit Fahrtkosten, Übernachtungskosten und Abwesenheitsgelder eines auswärtigen Wahlverteidigers im Fall eines - wie hier - überwiegenden Freispruchs des ehemaligen Angeklagten von der Staatskasse erstattet werden müssen, ist umstritten und bisher Einzelfallentscheidungen vorbehalten geblieben (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 464 a Rdz. 12 m. w. N.). Diese Frage hängt gemäß § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO in Verbindung mit § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO davon ab, ob die Hinzuziehung eines nicht am Gerichtsort wohnenden Verteidigers notwendig war. Nach Auffassung des Senats sind die Mehrkosten des auswärtigen Wahlverteidigers jedenfalls dann zu erstatten, wenn sich der frühere Angeklagte einen schwerwiegenden Tatvorwurf gegenüber sah, der auch massiv beruflich und wirtschaftlich in seine Existenz eingreifen konnte (vgl. Senat, Beschlüsse vom 13. Juni 2001 - 1 Ws 74/01 - und vom 27. März 2008 - 1 Ws 67/08 -). Welche Maßnahmen der Angeklagte bei erheblichen und seine Existenz betreffenden Tatvorwürfen für notwendig erachtet, muss seiner freien Entschließung überlassen bleiben. Eine öffentliche Klage greift jedenfalls in diesen Fällen so tief in das persönliche Schicksal des Angeklagten ein, dass es seine nach dem jeweiligen Verfahrensstand und nicht rückschauend zu würdigende freie Entschließung ist, wie er sich gegen eine solche Anklage wehren will und mit welcher Geschwindigkeit er dies tut (vgl.
LG Kassel, StraFo 1999, 33 [34]). Die Entscheidung darf nicht durch nachträgliche gerichtliche Kosten- und Auslagenentscheidungen in Frage gestellt oder sogar unterlaufen werden (SchlHOLG, JurBüro 1979, 1332). Eine vertretene gegenteilige Auffassung wird dem verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Angeklagten, sich im Strafverfahren von einem Rechtsanwalt als gewählten Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfG NStZ 1984, 561 f.) in diesen Fällen nicht gerecht.
Die Voraussetzungen für die Wahl eines auswärtigen Verteidigers lagen hier vor. Es handelt sich um eine Strafsache von erheblichen Gewicht. Im Falle einer Verurteilung wegen der angeklagten Delikte hätte der Angeklagte zwar nicht mit einer hohen Freiheitsstrafe, jedoch mit einer Suspendierung vom Polizeidienst rechnen müssen. Insofern musste der Angeklagte im Rahmen des Disziplinarverfahrens auch mit beruflichen Nachteilen bis hin zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechnen.
Bei dieser Sachlage kann die Erstattungsfähigkeit der durch die Wahl des in Berlin ansässigen Rechtsanwaltes als Vertrauensanwalt entstehenden Kosten für den in Stendal durchzuführenden Prozess jedenfalls nicht mit dem (hauptsächlichen) Argument verneint werden, die Angelegenheit hätte auch durch ein ortsansässigen Rechtsanwalt erledigt werden können.
Gleiches gilt auch für die Ablehnung der Kostenerstattung für die Aktenübersendung und die teilweise Versagung der Erstattung der Fahrtk...