Leitsatz (amtlich)
Die zweckentsprechende Rechtsverteidigung erfordert es nicht, bereits vor der Berufungsbegründung einen Gegenantrag anzukündigen, so dass bei einer Berufungsrücknahme vor der Begründung des Rechtsmittels nur eine 13/20-Prozessgebühr erstattungsfähig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag gestellt worden ist, die mit der Berufungsrücknahme verbundenen Wirkungen i.S.v. § 516 Abs. 3 ZPO durch Beschluss auszusprechen.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Beschluss vom 30.01.2004; Aktenzeichen 5 O 3/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Halle vom 30.1.2004 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die von der Beklagten an den Kläger auf Grund des Urteils des LG Halle vom 5.9.2003 und des Beschlusses des OLG Naumburg vom 11.11.2003 zu erstattenden Kosten werden auf 3.939,07 Euro (anstatt 4.293,08 Euro) nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2003 festgesetzt.
Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten trägt die Beklagte nach einem Gegenstandswert von 52,06 Euro.
Die außergerichtlichen Kosten haben der Kläger zu 7/8 und die Beklagte zu 1/8 nach einem Gegenstandswert von 406,57 Euro zu tragen.
Gründe
I. Der in L. ansässige Kläger beauftragte mit der Durchführung des Zivilprozessverfahrens in L. ansässige Rechtsanwälte, die an der mündlichen Verhandlung vor dem LG Halle am 13.8.2003 teilnahmen.
Gegen das der Klage stattgebende Urteil legte die Beklagte unter dem 1.10.2003 Berufung bei dem OLG Naumburg ein, ohne einen Antrag anzukündigen, die sie, nachdem der Klägervertreter bereits unter dem 9.10.2003 schriftsätzlich die Vertretung des Klägers auch in II. Instanz und die Beantragung der Zurückweisung der Berufung angekündigt hatte, zurücknahm. Daraufhin auferlegte der 5. Zivilsenat der Beklagten mit Beschluss vom 11.11.2003 (auch) die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Kläger meldete zur Festsetzung gegen die Beklagte die folgenden Kosten an:
I. Instanz:
Gegenstandswert |
Betrag |
10/10 Prozessgebühr, § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 136.759,50 Euro |
1.357,20 Euro |
10/10 Verhandlungsgebühr, § 31 Abs. 1Nr. 2 BRAGO 136.759,50 Euro |
1.357,20 Euro |
Zwischensumme |
2.714,40 Euro |
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, § 26 BRAGO |
20,00 Euro |
Fahrtkosten für 78 km, 0,27 Euro je km, § 28 BRAGO |
21,06 Euro |
Tage- und Abwesenheitsgeld, § 28 BRAGO |
31,00 Euro |
Endbetrag der Rechnung |
2.786,46 Euro |
II. Instanz
Gegenstandswert |
Betrag |
13/10 Prozessgebühr, § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 18.674,09 Euro |
709,02 Euro |
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, § 26 BRAGO 20,00 Euro |
|
Endbetrag der Rechnung |
729,02 Euro |
Mit Beschluss vom 30.1.2004 setzte das LG - unter Hinzusetzung von 777,60 Euro vom Kläger verauslagter Gerichtskosten - den von der Beklagten an den Kläger für beide Instanzen zu erstattenden Betrag (antragsgemäß) auf 4.293,08 Euro (2.786,46 Euro + 729,02 Euro + 777,60 Euro = 4.293,08 Euro) fest.
Gegen diesen ihr am 4.2.2004 zugestellten Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrem am 9.2.2004 beim LG eingegangenen Antrag vom 6.2.2004 auf "Entscheidung des Gerichts".
Auf eine entsprechende Nachfrage des LG teilte die Beklagte mit, dass ihr Rechtsbehelf als sofortige Beschwerde auszulegen sei und sie sich gegen die Festsetzung der Fahrtkosten und des Tagegeldes für die I. Instanz und die Berücksichtigung einer 13/10 Gebühr für die II. Instanz wende. Insofern sei lediglich eine 13/20 Gebühr angemessen, weil die Berufung vor deren Begründung zurückgenommen worden sei.
Die Rechtspflegerin des LG hat dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und das Verfahren dem OLG Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.
II. Der offensichtlich als sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.1.2004 als einzig in Betracht kommender Rechtsbehelf auszulegende Antrag der Beklagten vom 6.2.2004, über den gem. § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter zu befinden hat, weil die angefochtene Entscheidung von einer Rechtspflegerin erlassen worden ist, ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG; §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) und teilweise auch begründet, weil dem Kläger für den Berufungsrechtszug lediglich eine 13/20 Prozessgebühr i.H.v. 354,51 Euro (anstatt einer 13/10 Gebühr i.H.v. 709,02 Euro) zu erstatten ist.
Auch wenn dieser Aspekt in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist (vgl. zum Streitstand BGH NJW 2003, 756 [757]; Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rz. 13 Stichwort Berufung; jeweils m.w.N.), vertritt der Senat die Ansicht, dass im Falle der Rücknahme auch einer nicht nur fristwahrend eingelegten Berufung der Berufungsbeklagte grundsätzlich nur einen Anspruch auf Erstattung der halben Prozessgebühr aus dem Streitwert des Berufungsverfahrens (13/20 Gebühr gem. §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1, 11 BRAGO) hat, sofern der Berufungskläger bis zu diesem Zeitpunkt weder einen Berufungsantrag angekündigt, noch die Berufung begründet hat. Denn bei der Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes durch eine Partei muss gem. § 91 Ab...