Leitsatz (amtlich)
Im einstweiligen Anordnungsverfahren auf Genehmigung der Unterbringung eines Minderjährigen sind die Kindeseltern grundsätzlich persönlich anzuhören. Bei Gefahr im Verzug kann vor Erlass der einstweiligen Anordnung ausnahmsweise von der persönlichen Anhörung der Eltern abgesehen werden, die dann unverzüglich nachzuholen ist
(anderer Ansicht der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen -, wonach auch bei Gefahr im Verzug die vorherige persönliche Anhörung der Kindeseltern zwingend erforderlich ist).
Verfahrensgang
AG Stendal (Entscheidung vom 12.06.2012; Aktenzeichen 5 F 535/12 EAUB) |
Tenor
Die Beschwerde des Verfahrensbeistandes gegen den Beschluss des Amtsgerichts- Familiengerichts- Stendal vom 12.6.2012 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt (§ 70 Abs. 4 FamFG).
Gründe
Durch die angefochtene Entscheidung hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Eltern nach persönlicher Anhörung des Kindes und der diensthabenden Ärztin bei Kenntnis des vorliegenden schriftlichen Berichts des Fachkrankenhauses U. vom 12.06.2012 die vorläufige Unterbringung des beteiligten Kindes in einer geschlossenen Einrichtung einer psychiatrischen Klinik familiengerichtlich genehmigt und festgelegt, dass die Entscheidung bis längstens 24.7.2012 gilt .
Dagegen richtet sich die im Interesse des beteiligten Kindes erhobene Beschwerde des Verfahrensbeistandes, die nach §§ 158 Abs.4, 58 ff FamFG zulässig ist, jedoch ohne Erfolg bleibt, weil weder nach Aktenlage noch dem Beschwerdevortrag gegen den angefochtenen Beschluss etwas Durchgreifendes zu erinnern ist.
Das Amtsgericht hat nach dem ihm vorliegenden schriftlichen Bericht des Krankenhauses und dem Ergebnis der Anhörung der Betroffenen, für die es zur Wahrnehmung der Interessen einen Verfahrensbeistand bestellt hat (§ 158 Abs.1 FamFG), zu Recht sowohl die sachlichen wie auch die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§§ 167 Abs.1, 331 Abs.1 FamFG) bejaht und dem Antrag der Kindeseltern auf Genehmigung der Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik entsprochen, um der Gefahr der persönlichen Schadenszufügung zu begegnen.
Zwar hat es vor seiner Entscheidung die Kindeseltern nicht persönlich angehört, was § 167 Abs. 1 und 4 FamFG für Verfahren der Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 151 Nr. 6 FamFG zwingend vorschreibt. Diese (vorherige) Anhörung der Eltern konnte hier - ausnahmsweise- unterbleiben, weil Gefahr im Verzuge vorlag (§ 160 Abs. 4 FamFG). Allerdings ist das Amtsgericht angesichts des zwingenden Charakters der vorgenannten Normen gehalten, die persönliche Anhörung unverzüglich nachzuholen. §§ 167 Abs.4 und 160 Abs. 4 FamFG gelten in Kindschaftssachen - also auch in solchen, wie dem vorliegenden- generell und werden entgegen der Auffassung des OLG Celle (vgl. OLG Celle FamRZ 2010, 1167) durch § 331 Satz 1 FamFG nicht überlagert und damit entbehrlich. Soweit es die persönliche Anhörung anbelangt, teilt der Senat mithin die Auffassung des 8. Senats des Hauses (vgl. OLG Naumburg FamRZ 2010, 1919). Das gilt indes, wie bereits ausgeführt, nicht, soweit dort vertreten wird, das neue Recht habe die Möglichkeit ersatzlos gestrichen, von der persönlichen Anhörung bei Gefahr im Verzuge abzusehen und die Anhörung nachzuholen.
Die übrigen Entscheidungen beruhen auf §§ 81, 158 Abs. 8 FamFG, 42 Abs. 2, 41 FamGKG
Fundstellen