Leitsatz (amtlich)
Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit in U-Haft-Sache ist nur auf die Tat abzustellen, die Gegenstand des Haftbefehls ist.
Je nach Sachlage kann in Haftsachen eine Verzögerung von drei Monaten zu beanstanden sein, wobei schon eine vermeidbare Verfahrensverzögerung von rund zwei Monaten mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen unvereinbar sein kann.
Insbesondere in Haftsachen ist die Vorlagefrist des § 306 Abs. 2 StPO besonders zu beachten.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Entscheidung vom 01.07.2010) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Angeschuldigten wird der Beschluss der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Halle vom 01. Juli 2010 aufgehoben.
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Weißenfels vom 17. März 2010 wird aufgehoben.
Der Angeschuldigte ist in dieser Sache auf freien Fuß zu setzen.
Gründe
Der am 04. März 2010 vorläufig festgenommene Angeschuldigte hat sich zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Weißenfels vom 05. März 2010 (8 Gs 613 Js 202106/10) wegen des dringenden Tatverdachts des gemeinschaftlichen räuberischen Diebstahls und gestützt auf den Haftgrund der Fluchtgefahr in Untersuchungshaft befunden. In dem Termin zur mündlichen Haftprüfung am 17. März 2010 hat das Amtsgericht Weißenfels den Haftbefehl vom 05. März 2010 aufgehoben und dahingehend "neu gefasst", dass die Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts des gemeinschaftlichen Diebstahls angeordnet wurde. Als Haftgrund nahm das Amtsgericht erneut das Vorliegen einer Fluchtgefahr an. Auf die Beschwerde des Angeschuldigten vom 17. März 2010, der das Amtsgericht am selben Tag nicht abgeholfen hat, hat das Landgericht Halle - 2. große Strafkammer - , bei dem die Akten am 25. März 2010 eingegangen sind, in Unkenntnis dessen, dass die Staatsanwaltschaft Halle - Zweigstelle Naumburg - am 19. April 2010 Anklage bei dem Amtsgericht Weißenfels - Schöffengericht - erhoben hatte. die Beschwerde des Angeschuldigten durch Beschluss vorn 20. April 2010 als unbegründet verworfen.
Mit der Anklageschrift vom 19. April 2010 hat die Staatsanwaltschaft Halle dem Angeschuldigten die Begehung eines räuberischen Diebstahls zur Last gelegt und die "Umstellung' des Haftbefehls nach Maßgabe der Anklageschrift beantragt.
Am 26. April 2010 hat der Angeschuldigte durch Schriftsatz seines Verteidigers weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 21. April 2010 (gemeint: 20. April 2010) eingelegt, der das Landgericht Halle durch Beschluss vom 07. Mai 2010 nicht abgeholfen hat, die jedoch nachfolgend durch das Amtsgericht Weißenfels als Haftprüfungsantrag ausgelegt worden ist. Durch Beschluss vom 01. Juni 2010 hat das Amtsgericht Weißenfels den Haftbefehl vom 17. März 2010 aus den fortbestehenden Gründen seiner Anordnung aufrechterhalten.
Durch Verfügung vom 01. Juni 2010 hat das Amtsgericht die Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass die Anklageschrift missverständlich sei, weil sie dem Angeschuldigten formal zwei Taten vorwerfe und um weitere formale Änderungen unter Hinweis auf die bevorzugte Bearbeitung als Haftsache gebeten.
Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 01. Juni 2010 hat der Angeschuldigte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 18. Juni 2010 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht am 18. Juni 2010 nicht abgeholfen und die das Landgericht Halle - 2. große Strafkammer - durch Beschluss vom 01. Juli 2010 als unbegründet verworfen hat.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Angeschuldigten, der die Kammer nicht abgeholfen hat.
Das gemäß § 310 Abs. 1 StPO zulässige Rechtsmittel ist begründet.
Der Angeschuldigte ist der ihm mit Haftbefehl vom 17. März 2010 zur Last gelegten Tat des gemeinschaftlichen Diebstahls aufgrund der für ihn abgegebenen Erklärung seines Verteidigers im Haftverkündungstermin vom 05. März 2010 und nach Maßgabe der in der Anklageschrift vom 19. April 2010 aufgeführten Beweismittel dringend verdächtig. Zwar hat die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten durch Anklageschrift vom 19. April 2010 nun erneut die Begehung eines Verbrechens des räuberischen Diebstahls zur Last gelegt und die "Umstellung" des Haftbefehls nach Maßgabe der Anklageschrift beantragt. Allerdings haben weder das Amtsgericht noch das Landgericht den dringenden Tatverdacht eines räuberischen Diebstahls bislang bejaht.
Ob gegen den Angeschuldigten der Haftgrund der Fluchtgefahr besteht, mag dahinstehen, denn jedenfalls ist die durch den nach Aufhebung des Haftbefehls vom 05. März 2010 neu ergangenen (nicht neu gefassten) Haftbefehl des Amtsgerichts Weißenfels vom 17. März 2010 angeordnete Untersuchungshaft unverhältnismäßig.
Untersuchungshaft darf in Ansehung der durch Artikel 2 Abs. 2 S. 2 GG garantierten Freiheit der Person und der Unschuldsvermutung des Artikel 6 Abs. 2 MRK nur angeordnet und aufrechterhalten werden, wenn überwiegende Interessen des Gemeinwohls das zwingend gebieten (BVerfGE 35, 185, 190). Zweck der Untersuchungshaft ist danach ausschließlich die Durchsetzung des Anspruchs der staatlic...