Leitsatz (amtlich)
In einem Sorgerechtsverfahren der Eltern (hier Alleinsorge) hat das AG, wenn sich hierfür genügende Anhaltspunkte bieten, auch Feststellungen dazu zu treffen und ggf. darüber zu entscheiden, ob gem. §§ 1671 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1666 ff BGB Maßnahmen der Sorgebeschränkung zu erfolgen haben. Enthält die instanzbeendende Entscheidung des AG hierzu keine Feststellungen, so liegt lediglich eine Teilentscheidung vor, die auch ohne einen Antrag eines der Beteiligten die Aufhebung und Zurückverweisung gem. § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG rechtfertigt.
Verfahrensgang
AG Gardelegen (Beschluss vom 15.03.2011; Aktenzeichen 5 F 439/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Gardelegen vom 15.3.2011 (Az.: 5 F 439/10) aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Erörterung und Entscheidung an das AG Gardelegen zurückverwiesen, auch zur Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Das Verfahren vor dem OLG ist bei einem Verfahrenswert von 3.000 EUR wegen unrichtiger Sachbehandlung gerichtskostenfrei.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.
Gründe
Das AG - Familiengericht - Gardelegen hat durch den angefochtenen Beschluss vom 15.3.2011 (Bl. 87ff d.A.) die elterliche Sorge für das Kind V. auf die Mutter allein übertragen (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde wendet sich der Vater gegen diese Entscheidung und begehrt die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich.
Die Beschwerde hat, wie bereits mit Hinweis vom 17.5.2011 angekündigt, dahin vorläufigen Erfolg, dass die angefochtene Entscheidung des AG aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückzugeben ist (§ 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG).
Der Senat hält es vorliegend für zwingend angebracht, die sich geradezu aufdrängende Prüfung, ob beiden Elternteilen überhaupt Teilbereiche der Alleinsorge aus Kindeswohlgründen belassen werden können, dem Familiengericht zurückzuübertragen. Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG darf eine solche Aufhebung und Zurückverweisung vorgenommen werden, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges in der Sache noch nicht entschieden hat. Gemeint sind zunächst die Fälle, in denen das AG einen gestellten Antrag für unzulässig hält oder die eigene Zuständigkeit verneint.
Aber auch der vorliegende Sachverhalt ist nicht anders zu beurteilen. Denn streiten sich die Eltern um die Alleinsorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, obwohl zuvorderst Maßnahmen der Sorgebeschränkung über Abs. 3 der vorgenannten Vorschrift nach den §§ 1666 ff BGB im Raum stehen, hat das AG insoweit noch nicht abschließend in der Sache entschieden. Durch die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens bestehende Dispositionsbefugnis der Beteiligten über ihr Rechtsmittel wäre im Fall einer Rechtsmittelrücknahme der Senat zudem gehindert, über in Betracht kommende sorgebeschränkende Maßnahmen zu befinden. In diesem Fall müsste sich der Senat darauf zurückziehen, das Verfahren an das AG mit dem Bemerken der dortigen eigenständigen Prüfung zurückzugeben.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist auch in einem solchen Fall ein Zurückweisungsantrag eines beteiligten Elternteils nicht erforderlich.
Die nachdrücklichen Erwägungen, denen ein Verfahren nach §§ 1671 Abs. 3, 1666ff BGB zuvorderst notwendig machen, finden sich im Vorbringen des Kindes, seines Verfahrensbeistands und der beteiligten Eltern sowie des Jugendamts.
V. erklärt im Wesentlichen selbst, dass sie letztlich nichts Erhebliches gegen eine Heimunterbringung vorzutragen hätte, weil sie insbesondere vom Freund der Mutter tätlich und zwar nach ihrem Eindruck auf das Allerheftigste körperlich gezüchtigt wurde. Dabei sei die Mutter nicht eingeschritten. Auch bietet die Lebenssituation und insbesondere das Wohnumfeld bei der Kindesmutter alles andere als nachhaltig förderliche Entwicklungsmöglichkeiten. Um so entscheidender ist aber, dass V. trotz dieser sich auftuenden Gefährdungssituation dennoch nicht bei dem aus ihrer Sicht sie vernachlässigenden Vater sein möchte und ihre Situation bei den getrenntlebenden Eltern als gleichartig ansieht. Es mag sein, dass die Mutter bei der Inanspruchnahme von Hilfen seitens der Jugendämter bisher der offenere Elternteil gewesen sein mag. Belehrungen und Verbesserungsbekundungen verblassten jedoch nach einiger Zeit. Insoweit kommen die Jugendämter und der Verfahrensbeistand bereits im erstinstanzlichen Verfahren aus der bisherigen Begleitung und Beobachtung ihrerseits zu dem aber letztlich zwingend gutachterlich nachzuprüfenden Schluss; dass die Eltern erziehungsungeeignet seien.
Dieses Vorbringen rechtfertigt bereits ein Einschreiten des AG unabhängig vom Willen der Eltern im Rahmen eines Verfahrens nach § 1666 BGB.
Von der Durchführung eines Termins im Beschwerdeverfahren ist abzusehen, da aus der Sicht des Senats gegenwärtig in Bezug auf den zwischen den Eltern fortwährenden Sorgestreit insbesondere bei einem sachverständig begleiteten Sorgebeschränkungsverfahr...