Normenkette

GVG § 112; ZPO § 41 ff.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 12 O 76/99)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des LG Halle – 3. Kammer für Handelssachen vom 15.5.2000 – 12 O 76/99, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten, deren 100 %-ige Gesellschafterin der B.Kreis ist, die Unterlassung von vermeintlich unlauteren Wettbewerbshandlungen; sie selbst hat den Streitwert ihrer Klage auf 20.000 DM geschätzt.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 17.1.2000 verhandelte die Kammer für Handelssachen in einer Besetzung unter Mitwirkung des Handelsrichters Dr. P. S. (im Folgenden: abgelehnter Richter). Der – später – abgelehnte Richter ist als sachkundiger Einwohner in den Wirtschaftsausschuss des Kreistages des B.Kreises berufen. Die Klägerin hat im Hinblick auf diese ehrenamtliche Tätigkeit noch im o.a. Termin die Besorgnis der Befangenheit gerügt. Die Kammer hat nach Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters und erneuter Anhörung der Parteien das Ablehnungsgesuch der Klägerin mit Beschluss vom 15.5.2000 zurückgewiesen.

Gegen diesen ihr am 19.5.2000 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit einem am 2.6.2000 vorab per Fax beim OLG Naumburg eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Sache wurde dem OLG Naumburg zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Klägerin vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren wurde den Parteien Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme eingeräumt.

II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 46 Abs. 2 2. Hs., 577 Abs. 1 und 2, 567 Abs. 3 S. 2 ZPO zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat das Ablehnungsgesuch der Klägerin zu Recht als unbegründet angesehen. Das Beschwerdevorbringen der Klägerin führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung des Geschehens.

Im Einzelnen:

Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass der abgelehnte Richter mangels Stimmrechts im Wirtschaftsausschuss keinen Einfluss auf die vom Landkreis zu treffenden Entscheidungen, insbesondere auf die Zustimmung zum Wirtschaftsplan der Beklagten, auszuüben vermag. Auch bestehe kein Kontakt zu Organen der Beklagten.

Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

Für die Ausschließung bzw. Ablehnung eines Handelsrichters finden nach § 112 GVG die Vorschriften der §§ 41 ff. ZPO unmittelbare Anwendung (vgl. BayObLG MDR 1978, 232 [233]; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1993, vor § 41 Rz. 5).

Nach diesen Vorschriften findet die Ablehnung einer Richterin bzw. eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn nach den Umständen des konkreten Falles ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin bzw. des Richters zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO. Maßgebend ist nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob vom Standpunkt des Ablehnenden aus genügend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der betreffende Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BVerfG v. 5.4.1990 – 2 BvR 413/88, BVerfGE 82, 30 [38]; BGHZ 77, 70 [72]; KG v. 7.5.1993 – 24 U 4707/92, OLGZ 1994, 86 [87] = MDR 1993, 797 = KGReport Berlin 1993, 45; Vollkommer in Zöller, ZPO, 21. Aufl. 1999, § 42 Rz. 9; Smid in Musielak, ZPO, 1999, § 42 Rz. 4; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 42 Rz. 2; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. 2000, § 42 Rz. 10; Feiber in Münch/Komm ZPO, § 42 Rz. 4; jew. m.w.N.). Durch die Ablehnung wegen Befangenheit soll der Gefahr unsachlicher Beweggründe bei der Bildung oder Beibehaltung einer bestimmten Meinung in der Rechtsprechung begegnet werden, wobei gleichzeitig zu berücksichtigen ist, dass eine zu weitgehende Bejahung der Besorgnis der Befangenheit das Verfassungsprinzip des gesetzlich festgelegten Richters tangiert und, soweit es sich um eine Reaktion auf das Verhalten des Richters handelt, u.U. auch dessen Unabhängigkeit beeinträchtigen kann (vgl. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 42 Rz.2).

Gründe, die geeignet sind, an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu zweifeln, liegen vom Standpunkt der Klägerin bei vernünftiger Betrachtung der Sache nicht vor. Solche Gründe ergeben sich insbesondere nicht aus der ehrenamtlichen Tätigkeit des abgelehnten Richters.

Allerdings kann grundsätzlich die Besorgnis der Befangenheit begründet sein, wenn ein Richter mittelbar – auch durch seine kommunalpolitische Tätigkeit – am Rechtsstreit beteiligt ist und aufgrund enger Beziehungen zu einer Prozesspartei die Gefahr besteht, dass er in eine Konfliktsituation zwischen seiner ri...

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