Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kostenschuldner kann im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren nur ausnahmsweise eine Reduzierung des Gesamtbetrages wegen Anrechnung von angefallenen vorgerichtlichen Gebühren verlangen.
Nach § 15a Abs. 2 RVG kommt das nur in Betracht, wenn er entweder nachweisen kann, dass die vorgerichtliche Gebühr bereits vollständig erstattet worden ist (Alt. 1) oder dass die vorgerichtliche Gebühr bereits tituliert ist (Alt. 2), oder schließlich, wenn beide Gebühren vollständig im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (Alt. 3).
2. Als Nachweis der Erfüllung i.S.d. Alternative 1 kommt in einem Kostenfestsetzungsverfahren, in dem materiell-rechtliche Einwendungen nicht geprüft werden, ein Vergleich mit einer allgemeinen Abgeltungsklausel nicht in Betracht, weil die Abgeltungswirkung nur den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch erfassen kann. Der Nachweis wäre nur dann zu führen, wenn der Vergleich eine entsprechende ausdrückliche Formulierung zur Erstattung bzw. Teil- oder Nichterstattung der vorgerichtlichen Kosten der Parteien enthielte oder wenn darin die Höhe der als erfüllt anzusehenden vorgerichtlichen Gebühren beziffert bzw. eindeutig bestimmbar ist.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 22.10.2009; Aktenzeichen 9 O 986/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Magdeburg vom 22.10.2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
Gründe
I. Das LG Magdeburg - Rechtspflegerin - hat durch Beschluss vom 22.10.2009 die von den Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) als Gesamtschuldner an die Klägerin zu erstattenden Kosten festgesetzt.
Gegen diesen, ihnen am 18.11.2009 zugestellten Beschluss wenden sich die Beklagten mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 20.11.2009. Sie meinen, dass eine teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV vorzunehmen sei, weil die Geschäftsgebühr im Hauptverfahren geltend gemacht und vom gerichtlichen Vergleich vom 11.8.2009 abgegolten seien.
Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.
Die Klägerin hat zur sofortigen Beschwerde Stellung genommen.
II. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, es ist insb. form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Rechtspflegerin hat die begehrte anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu Recht verweigert.
Allerdings gehen die Beklagten - und ihnen insoweit folgend auch das LG - zutreffend davon aus, dass die Vorschrift des § 15a Abs. 2 RVG für alle am 5.8.2009 noch nicht abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 104 ff. ZPO anzuwenden ist (vgl. hierzu Beschluss des erkennenden Senats vom 18.2.2010 - 2 W 5/10, m.w.N.).
Während § 15a Abs. 1 RVG vor allem eine Regelung für das Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem Rechtsanwalt trifft, auf welches sich auch die Anrechnungsvorschriften im Vergütungsverzeichnis zum RVG als Höchstsummenbegrenzung bei gleichzeitigem Wahlrecht des Rechtsanwalts beziehen, gilt im Verhältnis des Mandanten zu Dritten, dass sich Dritte, wie hier die Beklagten als Kostengesamtschuldner ggü. der Klägerin, grundsätzlich nicht zu ihren Gunsten auf diese Anrechnungsvorschriften berufen können. Hiervon sieht § 15a Abs. 2 RVG zur Vermeidung der Titulierung von Beträgen, die die o.g. Höchstsumme überschreiten, drei enumerativ aufgezählte Ausnahmen vor:
Die Kostenschuldner im Kostenfestsetzungsverfahren können danach eine Reduzierung des Betrages im Kostenfestsetzungsbeschluss verlangen, wenn sie entweder nachweisen können, dass eine der beiden Gebühren bereits vollständig erfüllt ist (Alt. 1) oder dass eine der beiden Gebühren bereits tituliert ist (Alt. 2), oder schließlich wenn beide Gebühren vollständig im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (Alt. 3). Letzteres dürfte selten der Fall sein (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 29.9.2009 - X ZB 1/09, NJW 2010, 76) - eine solche Situation liegt jedenfalls hier nicht vor, weil die Klägerin die volle Geschäftsgebühr weder in Ansatz gebracht hat noch als Kosten des Rechtsstreits in Ansatz bringen kann (vgl. OLG München, Beschl. v. 13.10.2009 - 11 W 2244/09, MDR 2009, 1417). Die zweitgenannte Alternative liegt unstreitig nicht vor und wird von den Beklagten auch nicht geltend gemacht. Auch die Voraussetzungen der erstgenannten Alternative sind nicht erfüllt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren gilt der weitere Grundsatz, dass materiell-rechtliche Einwendungen unbeachtlich bleiben und ggf. im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen sind. Als Nachweis der Erfüllung kommt daher ein Vergleich mit einer allgemeinen Abgeltungsklausel nicht in Betracht, weil die Abgeltungswirkung zwar den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch erfassen kann, nicht aber den pro...