Leitsatz (amtlich)
1.
Druchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des UBG vom 06. März 2002 (GVBl. LSA Nr. 12/2002, S. 80 f. ) bestehen nicht.
2.
Im Rahmen des § 1 Abs. 1 UBG kommt es nur auf die formalen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 bis 4 StGB an; die materielle Voraussetzung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nicht zu prüfen.
3.
Hat die Strafvollstreckungskammer die Unterbringung des Betroffenen gemäß § 1 UBG angeordnet, kommt es für die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht darauf an, ob der Betroffene auch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch Strafhaft verbüßt.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 31 StVK 89/02) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluß des Landgerichts Halle -Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Naumburg- vom 18. 03. 2002,
mit dem das Landgericht die Unterbringung des Betroffenen in einer Justizvollzugsanstalt angeordnet hat,
wird verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
Der Betroffene hat bis zum 19. 3. 2002 eine Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen versuchten Totschlags aufgrund des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 26. 11. 1992 (21a Ks 19/92) verbüßt. Zuvor hatte er bereits eine zehnjährige Jugendstrafe wegen Mordes aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts Halle vom 3. 8. 1984 (BS 24/84 - 131-8-94) verbüßt. Das Landgericht Halle -Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Naumburg- hat durch Beschluß vom 18. 3. 2002 (31 StVK 89/02) die Unterbringung des Betroffenen nach dem Gesetz über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 6. 3. 2002 (UBG) angeordnet und zur Sicherung des weiteren Verfahrens Haftbefehl nach § 453 c StPO analog erlassen. Seit dem 21. 3. 2002 befindet sich der Betroffene in der Sozialtherapeutischen Anstalt Halle II. Der Betroffene wendet sich gegen die Unterbringungsentscheidung mit der sofortigen Beschwerde, die er jedoch nicht näher begründet hat.
Die nach § 3 Abs. 4 S. 2 UBG i. V. m. § 3 Abs. 2 UBG, § 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das Landgericht hat die Unterbringung des Betroffenen zu Recht angeordnet.
Nach § 1 Abs. 1 UBG kann gegen eine Person, die unter den Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 bis 4 des Strafgesetzbuches eine zeitige Freiheitsstrafe verbüßt, die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt angeordnet werden, wenn aufgrund von Tatsachen, die nach der Verurteilung bekannt geworden sind, davon auszugehen ist, dass von dem Betroffenen eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer ausgeht, insbesondere weil er im Vollzug der Freiheitsstrafe beharrlich die Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels verweigert, namentlich eine rückfallvermeidende Psycho- oder Sozialtherapie ablehnt oder abbricht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit des Unterbringungsgesetzes.
Die Gesetzgebungskompetenz des Landes ergibt sich aus Art. 70 Abs. 1 GG. Danach steht das Recht der Gesetzgebung den Ländern zu, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Eine ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist vorliegend aber zu verneinen, denn das Unterbringungsgesetz knüpft zum Schutz der Bevölkerung vor rückfallgefährdeten Straftätern allein an die aktuelle Gefährlichkeit der vor der Entlassung aus dem Strafvollzug stehenden Strafgefangenen an und nicht etwa an die strafrechtlich bereits abgeurteilte Anlaßtat. Es handelt sich daher bei der Unterbringung um eine präventive Sicherungsmaßnahme zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Für die Gefahrenabwehr steht jedoch die Gesetzgebungskompetenz allein den Bundesländern zu.
Das Unterbringungsgesetz verstößt auch nicht etwa gegen Art. 103 Abs. 3 GG. Eine Doppelsanktionierung der Anlaßtat liegt nicht vor, weil sich die Unterbringung nicht an die Anlasstat anknüpft, sondern allein an die aktuelle Gefährlichkeit des Strafgefangenen (vgl. Peglau, ZRP 2000, 147, 148, 150).
Das Unterbringungsgesetz ist auch unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, denn es ist allenfalls mit einer nicht stets unzulässigen unechten Rückwirkung verbunden. Zwar stellt es für die Beurteilung der aktuellen Gefährlichkeit des betroffenen Strafgefangenen auch auf in der Vergangenheit liegende Umstände ab. Letztlich entscheidend für die Anordnung der Unterbringung ist indes die zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung gegebene gegenwärtige Gefährlichkeit. Das Gesetz regelt mithin keinen in der Vergangenheit bereits vollständig abgeschlossenen Sachverhalt (unzulässige echte Rückwirkung). Ein wie hier mit unechter Rückwirkung verbundenes Gesetz ist verfassungsgemäß,...