Leitsatz (amtlich)

Soll ein Gutachten im selbständigen Beweisverfahren die Ursachen von Rissbildungen an einem Haus untersuchen, die der Antragsteller in Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück vermutet, so kann er bis zum Ende des selbständigen Beweisverfahrens verlangen auch die Entwässerung des Nachbargrundstücks als mögliche Ursache mit zu untersuchen. Damit verlangt er kein neues Gutachten i.S.v. §§ 485 Abs. 3, 412 ZPO.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Beschluss vom 08.02.2012; Aktenzeichen 23 OH 8/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Stendal vom 8.2.2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag vom 17.12.2011 an das LG Stendal zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin betreibt gegen die Antragsgegnerin, der Mieterin des Nachbargrundstücks, ein selbständiges Beweisverfahren, in dem es um Beschädigungen des Wohnhauses der Antragstellerin geht. In einer Sachverständigenbeweisanordnung des LG vom 10.2.2011 heißt es unter Ziff. 6.:

"Sind die Risse in der Küche im EG des Wohnhauses unmittelbar oder mittelbar auf die Bauarbeiten der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Erweiterung des ... Marktes zurück zu führen?".

Mit Schriftsatz vom 17.12.2011 hat die Antragstellerin beantragt, u.a. der Frage sachverständig nachzugehen, ob es sich bei der Wasserentsorgung auf dem Parkplatz der Antragsgegnerin um eine Regenentwässerung handele oder ob man das Grundwasser absenke und ob ein Zusammenhang mit der Rissbildung im Haus der Antragstellerin bestehe. Das LG hat den Antrag durch Beschluss vom 8.2.2012 zurückgewiesen, da er unzulässig sei.

Gegen diese, ihrem Bevollmächtigten am 10.2.2012 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der am 24.2.2012 beim LG eingegangenen Beschwerde, der die Einzelrichterin nicht abgeholfen hat.

II. Die nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte (vgl. BGH NZBau 2005, 688, 689; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 490 Rz. 4) und auch darüber hinaus zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin, über die gem. § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, ist begründet. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das LG (§§ 572 Abs. 3, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 analog ZPO).

1. Das LG hat ausgeführt, der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzinteresse. Bereits auf Grund von Ziff. 6 des Beweisbeschlusses vom 10.2.2011 seien vom Sachverständigen die Ursachen der Risse zu untersuchen.

Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

2. Die Antragstellerin hat ein rechtliches Interesse daran, die Ursachen der Gebäudeschäden feststellen zu lassen (§ 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Nur wenn die Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet ist, kommt ein neues Gutachten nur unter den Voraussetzungen des § 412 ZPO in Betracht (§ 485 Abs. 3 ZPO). Diese Einschränkung betrifft erneute Begutachtungen und setzt die Identität der zu untersuchenden Gegenstände voraus. Letzteres nimmt das LG zu Unrecht an. Bisher soll der Sachverständige nur den Bauarbeiten als Ursache für die Rissbildung nachgehen. Jetzt will die Antragstellerin auch die Entwässerung des Nachbargrundstücks einbezogen wissen. Eine solche Ergänzung ist bis zum Ende des selbständigen Beweisverfahrens zulässig.

3. Der Senat kann mangels vorliegender Verfahrensakten nicht prüfen, ob der Antrag auch darüber hinaus zulässig und begründet ist, sich insbesondere gegen den richtigen Antragsgegner richtet. Deshalb wird es gem. § 572 Abs. 3 ZPO dem LG übertragen, die erforderliche Anordnung zu treffen. Die Zurückverweisung rechtfertigt sich im Übrigen aus dem auf die Zulässigkeit beschränkten Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3499883

BauR 2013, 138

NJW-RR 2012, 1418

IBR 2012, 750

DS 2012, 396

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge