Leitsatz (amtlich)
Die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe darf nicht dazu dienen oder dazu führen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptverfahrens treten zu lassen (BVerfG v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347; RPfleger 2001, 554 ff.).
Die Verzögerung der Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne erkennbaren Grund stellt eine mit dem Sinn und Zweck der §§ 114 ff. ZPO nicht zu rechtfertigende Benachteiligung dar.
Auch im Prozesskostenhilfeverfahren sind die Grundsätze eines fairen Verfahrens zu beachten.
Verfahrensgang
AG Oschersleben (Beschluss vom 05.06.2003; Aktenzeichen 4 F 130/01) |
Tenor
Der Antragstellerin wird für den Verbundantrag Ehegattenunterhalt Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr Rechtsanwältin W., O., als Prozessbevollmächtigte beigeordnet.
Gründe
Im Scheidungsverbund hat die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 22.4.2002 einen Verbundantrag auf nachehelichen Unterhalt gestellt und hierfür Prozesskostenhilfe beantragt. Unter Abtrennung des Verbundantrages wurde das Hauptverfahren durch Urteil vom 3.7.2002 beendet. Erst mit Beschluss vom 13.3.2003 wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe beschieden.
Über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zügig und ohne Verzögerung zu entscheiden. Da die Unterlagen zur beantragten Prozesskostenhilfe schon im April 2002 vollständig vorlagen und dies ausreichend war, um für das Scheidungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen (Beschluss vom 30.8.2002 rückwirkend ab Antragstellung im April 2002) waren diese Unterlagen auch für den Verbundantrag damit ausreichend, da keine Auflage nach § 118 ZPO erkennbar ist. Die nicht nachvollziehbare Verzögerung der Entscheidung um ein Jahr ist durch den Akteninhalt nicht gerechtfertigt und stellt deshalb eine mit dem Sinn und Zweck der §§ 114 ff. ZPO nicht zu rechtfertigende Benachteiligung dar.
Hinzu kommt, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses eine – unzulässige – Vorwegnahme der Hauptsache darstellt. Aus GG Art 3 Abs. 1 iVm dem Rechtsstaatsgrundsatz ist das Gebot weitgehender Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes vgl. BVerfG v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347 (Ls, 356) abzuleiten. Die Prüfung der Erfolgsaussicht für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach ZPO § 114 S. 1 darf deshalb nicht dazu dienen oder dazu führen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG RPfleger 2001, 554 [555] – red. Leitsatz und Gründe = DVBl. 2001, 1748 [1750] – red. Leitsatz und Gründe = ZFSH/SGB 2001, 731 – red. Leitsatz und Gründe= = AP Nr. 10 zu Art 19 GG – red. Leitsatz und Gründe).
Auch im PKH-Verfahren sind die Grundsätze eines fairen Verfahrens zu beachten (OLG Naumburg, Beschluss vom 23.11.1998, 8 WF 292/98). Auch dieser Grundsatz wurde vom FamG nicht beachtet.
Da die Ehe inzwischen rechtskräftig geschieden ist stellt sich auch die Rechtsfrage nach einem Prozesskostenvorschuss nicht (§ 1360a BGB).
Wiedenlübbert
RiOLG
Fundstellen
Haufe-Index 1109034 |
MDR 2004, 356 |
OLGR-NBL 2003, 549 |