Leitsatz (amtlich)

Die Antragstellung und die Ergänzung des Antrages unterliegt im selbstständigen Beweisverfahren nicht dem Anwaltszwang.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Aktenzeichen 4 OH 14/01 (095)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 13.11.2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 125.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das LG hat auf Antrag der Antragsteller im selbstständigen Beweisverfahren die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über bauliche Mängel der Wohnanlage B. Straße 74 in M. angeordnet. Nach Eingang des schriftlichen Gutachtens gab das LG den Parteien Gelegenheit, etwaige Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen binnen 3 Wochen schriftsätzlich mitzuteilen. Weiterhin wies es die Parteien darauf hin, dass schriftliche Einwendungen nur durch einen am LG zugelassenen Rechtsanwalt erfolgen dürfen. Mit einem fristgerecht beim LG eingegangenen Schreiben beantragte die Antragsgegnerin, dem Sachverständigen mehrere Fragen zur ergänzenden Stellungnahme vorzulegen. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LG die Einwendungen der Antragsgegnerin mit der Begründung zurück, Ergänzungsfragen hätten nur durch einen am LG zugelassenen Rechtsanwalt gestellt werden dürfen, was jedoch nicht innerhalb der gesetzten Frist erfolgt sei. Hiergegen richtet sich die von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde.

II. Die gem. § 567 Abs. 1 ZPO statthafte und formgerecht (§ 569 ZPO) eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

Der Antrag, dem Sachverständigen Fragen zur ergänzenden Stellungnahme vorzulegen, kann nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung abgelehnt werden.

Das selbstständige Beweisverfahren unterliegt nicht dem Anwaltszwang, soweit es die Antragstellung und Ergänzung des Beweisantrages betrifft. Diese Anträge können gem. §§ 486 Abs. 4, 78 Abs. 3 ZPO unter Befreiung vom Anwaltszwang auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden (OLG Naumburg v. 30.6.1997 – 6 W 59/97, OLGReport Naumburg 1997, 356; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 486 Rz. 3; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., vor § 485 Rz. 4; Schreiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 487 Rz. 1). Anwaltszwang besteht erst bei einer mündlichen Verhandlung vor dem LG, wenn es etwa Zeugen vernimmt oder einen Termin zur Erörterung des Gutachtens bestimmt (OLG Naumburg v. 30.6.1997 – 6 W 59/97, OLGReport Naumburg 1997, 356). Sind aber der einleitende Verfahrensantrag sowie seine Ergänzung oder Berichtigung außerhalb der mündlichen Verhandlung vom Anwaltszwang befreit, so muss dies auch für ergänzende Anträge des Antragsgegners im selbstständigen Beweisverfahren gelten. Somit durfte die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall den Antrag, dem Sachverständigen ergänzende Fragen zur Stellungnahme vorzulegen, ohne ihre Verfahrensbevollmächtigten stellen. Das selbstständige Beweisverfahren war auch noch nicht beendet, da der Antrag innerhalb der vom LG gesetzten Frist zur Stellungnahme eingegangen ist.

Das LG hat sich mit der Frage, ob das eingeholte Gutachten im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin gestellten Fragen der Ergänzung oder mündlichen Erläuterung durch den Sachverständigen bedarf, in der Sache noch nicht befasst, da es den Antrag aus formellen Gründen zurückgewiesen hat. Der Senat hat daher von der Möglichkeit des § 575 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 10 EGZPO Gebrauch gemacht und dem LG die weitere Entscheidung über den Antrag übertragen. Er weist für die weitere Behandlung vorsorglich darauf hin, dass einem auf konkrete Fragen und Zweifelspunkte gestützten Antrag gem. § 411 Abs. 3 ZPO regelmäßig zu entsprechen sein wird, wenn verbliebene Zweifel und Unklarheiten beseitigt werden können (BGH v. 10.12.1991 – VI ZR 234/90, MDR 1992, 407 = NJW 1992, 1459; OLG Köln v. 20.11.1996 – 1 U 7/96, MDR 1997, 393 = NJW-RR 1997, 1221). In dem vorliegenden Fall umfangreich festgestellter Mängel und zahlreicher Einwendungen bietet es sich zudem an, eine ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen einzuholen.

Die Kostenentscheidung war dem LG vorzubehalten. Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat i.H.d. vom Sachverständigen ermittelten Sanierungskosten festgesetzt, §§ 12 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1, 25 Abs. 2 S. 1 GKG, 3 ZPO.

gez. Trojan gez. Dickel gez. Kühlen

 

Fundstellen

Haufe-Index 1108732

OLG-NL 2002, 181

OLGR-NBL 2002, 426

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