Leitsatz (amtlich)
Will der einen Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stellende Insolvenzverwalter gegen die unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände aufweisenden ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin Ansprüche aus § 64 S. 1 GmbHG geltend machen, so bedarf es im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren keiner abschließenden Klärung, ob Ersatzansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG in den Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 ZPO fallen und danach ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist. Die damit im Zusammenhang stehende Frage, ob es sich bei der Haftung aus § 64 S. 1 GmbHG um ein Fortwirken der Geschäftsführerpflichten handelt, die am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen sind, so dass ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 29 Abs. 1 ZPO eröffnet wäre, oder der Anspruch aus § 64 GmbHG vielmehr eine Ersatzforderung eigener Art ist, die nicht unmittelbar an die Geschäftsführerpflichten gegenüber der Gesellschaft anknüpft (BGH, Beschluss vom 11.02.2008, II ZR 291/06), bedarf im Verfahren nach den §§ 36, 37 ZPO deshalb keiner abschließenden Bewertung, weil die Zuständigkeit nach der Zweckrichtung des Verfahrens (zügige Gerichtsstandsbestimmung ohne langwierige Auseinandersetzung und ohne Belastung mit komplexeren rechtlichen Streitfragen) bereits dann gerichtlich zu bestimmen ist, wenn ein gemeinsamer Gerichtsstand der potentiellen Beklagten nicht einfach und zuverlässig festzustellen ist.
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Halle/Saale bestimmt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. GmbH, M. Straße 73 in H. . Er beabsichtigt, gegen die Antragsgegner zu 1. und 2. als damalige Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin Ansprüche auf Ersatz von Zahlungen gemäß § 64 Satz 1 GmbHG geltend zu machen. Der Antragsgegner zu 1. hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Halle/Saale, der Antragsgegner zu 2. im Bezirk des Landgerichts Hildesheim.
Der Antragsteller hat am 14.02.2017, Eingang beim Oberlandesgericht am 20.02.2017, Antrag auf Bestimmung des gemeinsamen Gerichtsstandes gestellt und angeregt, das Landgericht Halle/Saale als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Antragsgegner zu 2. hat - anwaltlich vertreten - mitgeteilt, zu dem Antrag auf Gerichtsstandbestimmung nicht Stellung nehmen zu wollen. Der Antragsgegner zu 2. hat sich zu dem Antrag nicht geäußert.
II. Der zulässige Antrag des Antragstellers führt gemäß §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 37 Abs. 1 ZPO zur Bestimmung der Zuständigkeit des Landgerichts Halle/Saale.
Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hat bei Klagen gegen Streitgenossen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, eine Bestimmung des zuständigen Gerichts zu erfolgen, wenn für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.
Nach dem Vorbringen des Antragstellers würden die Antragsgegner zu 1. und 2. für die etwaigen Ersatzansprüche nach § 64 Satz 1 GmbHG als damalige Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gemeinschaftlich haften. Sie sind Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO (vgl. Schmidt in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 64, Rn. 43).
Die Antragsgegner haben ihren Gerichtsstand in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand lässt sich zumindest nicht zweifelsfrei feststellen.
Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand wird nicht durch § 19a ZPO begründet. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet diese Vorschrift allein auf Passivprozesse des Insolvenzverwalters Anwendung (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003, IX ZR 203/02, Rn. 10, zitiert nach juris).
Es bestehen auch erhebliche Zweifel, ob Ersatzansprüche nach dieser Vorschrift in den Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 ZPO fallen. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Ersatzpflicht des § 64 GmbHG um ein Fortwirken der Geschäftsführerpflichten handele, die grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen seien, so dass ein besonderer Gerichtsstand nach § 29 ZPO eröffnet sei (so bspw. Gottwald/ Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 5 Aufl. 2015, § 92, Rn. 192). Demgegenüber geht der BGH davon aus, dass es sich bei einem Anspruch aus § 64 GmbHG um eine Ersatzforderung eigener Art handele, die nicht unmittelbar an die Geschäftsführerpflichten gegenüber der Gesellschaft anknüpfe (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2008, II ZR 291/06, zitiert nach juris).
Ob für die Antragsgegner ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist, muss der Senat letztlich nicht abschließend klären. Denn die Zuständigkeit ist bereits dann gerichtlich zu bestimmen, wenn ein gemeinsamer Gerichtsstand der potentiellen Beklagten nicht einfach und zuverlässig festzustellen ist (Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 36, Rn. 18). Entscheidend ist, dass derartige Zweifel bereits jetzt gegeben sind und durch die Bestimmung des zuständigen Gerichts Zuständigkeitsstreitigkeiten vermieden werden (Senatsbeschluss vom 06. Februar 2014, 1 AR 28/13, Rn. 4, z...