Leitsatz (amtlich)

1. Ist nach Lage der Akten der allgemeine Wohnsitz des Beklagten nicht bekannt und besteht kein besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand, so hat das angerufene Gericht dem Kläger aufzugeben, eine ladungsfähige Anschrift des Beklagten mitzuteilen. Schlägt dies fehl, so ist das angerufene Gericht zur Entscheidung über die - unzulässige - Klage berufen.

2. Der Beschluss über die Verweisung des Rechtsstreits an ein vermeintliches Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes entfaltete wegen objektiver Willkürlichkeit ausnahmsweise keine Bindungswirkung i.S.v. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO, wenn eine aktuelle amtliche Auskunft des Melderegisters vorliegt, wonach der Beklagte keinen Wohnsitz im dortigen Gerichtsbezirk inne hat.

3. Für die Frage der Willkürlichkeit einer Verweisung kommt es auf später, d.h. nach Erlass der Entscheidung gewonnene Erkenntnisse nicht an.

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 154 C 2713/06)

 

Tenor

Die Vorlage zur Bestimmung des zuständigen Gerichts wird als unzulässig zurückgewiesen.

Der Rechtsstreit ist nach wie vor bei dem AG Magdeburg anhängig, das über die Frage der Zulässigkeit der Klage zu entscheiden hat.

 

Gründe

I. Gegenstand der Klage sind Courtageansprüche i.H.v. 3.985,87 EUR nebst Zinsen, die die Klägerin gegen den Beklagten als Bürgen erhebt.

Dem streitigen Verfahren ging ein Mahnverfahren voraus, in dem der Mahnbescheid am 12.1.2005 in dem Geschäftslokal des Vaters des Beklagten an die dortige Sekretärin, C. V., zugestellt wurde. Der Vollstreckungsbescheid vom 2.2.2005 wurde dem Beklagten am 21.4.2006 ebenfalls dort zugestellt. Die Zustellungsurkunde enthält jedoch neben der Bestätigung der persönlichen Übergabe an den Beklagten außerdem den folgenden Vermerk über den "Grund der Nichtzustellung":

"Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln."

In seinem Einspruchsschreiben vom 4.5.2005 hat der Beklagte erläutert, dass er sich am 21.4.2005 zufällig zu Besuch am Firmensitz seines Vaters aufgehalten, und den Vollstreckungsbescheid dort entgegengenommen habe. Das Mahngericht ließ den Vollstreckungsbescheid am 9.5.2005 nochmals zustellen, aber wiederum in dem Geschäftslokal des Vaters des Beklagten an die dortige Sekretärin.

Obwohl der Beklagte mitgeteilt hatte, dass er am 15.7.2004 von Magdeburg nach Liechtenstein verzogen sei, verwies das AG Magdeburg den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16.8.2005 auf Antrag der Klägerin an das AG Bernburg. Dieses AG erklärte sich mit Beschluss vom 13.9.2005 ebenfalls für örtlich unzuständig und gab den Rechtsstreit an das AG Magdeburg zurück. Zur Begründung wies das AG Bernburg darauf hin, dass der Beklagte schon vor Einleitung des Mahnverfahrens nicht in Bernburg gewohnt habe.

Weil eine von ihr eingeholte Melderegisterauskunft ergeben habe, dass der Beklagte unter der Anschrift "B. Straße in München" gemeldet sei, hat die Klägerin am 11.1.2006 bei dem AG Magdeburg beantragt, den Rechtsstreit an das AG München abzugeben. Dem ist das AG Magdeburg mit Beschluss vom 23.1.2006 gefolgt und hat den Rechtsstreit gem. § 281 ZPO an das AG München verwiesen, obwohl sich aus einem von Amts wegen eingeholten Melderegisterauszug vom 13.1.2006 ergab, dass der Beklagte unter dieser Anschrift in München nicht ermittelt werden konnte.

Nachdem es dem AG München in der Folge nicht gelang, dem Beklagten in München oder in Bernburg Schriftstücke zuzustellen, erklärte es sich mit Beschluss vom 28.6.2006 ebenfalls für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das AG Magdeburg zurück. Wie eine Meldeauskunft vom 13.1.2006 ergeben habe, sei der Beklagte unter der angegebenen Anschrift in München nicht wohnhaft. Maßgeblich sei außerdem der Wohnsitz im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, die mit der Zustellung des Mahnbescheids an die Anschrift in Bernburg begründet worden sei.

Mit einem zweiten Verweisungsbeschluss vom 10.7.2006 erklärte sich das AG Magdeburg weiterhin für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit unter Ablehnung der Übernahme wiederum an das AG München. Zur Begründung wies die Richterin darauf hin, dass der Beklagte seinen Wohnsitz bereits zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in München gehabt habe, wie dem Gericht auf Grund eines anderen Verfahrens beim AG Magdeburg bekannt sei, indem ihm unter der Anschrift "B. Straße,... München" Schriftstücke zugestellt worden seien.

Mit Beschluss vom 23.8.2006 hat sich das AG München gleichwohl erneut für unzuständig erklärt und die Sache wiederum an das AG Magdeburg verwiesen, das nun wiederum mit der Sache befasst war. Daraufhin kam es am 29.8.2006 zu einem Telefonat zwischen der zuständigen Richterin des AG Magdeburg und dem Beklagten, in dem der Beklagte bestätigte, dass er schon seit 2004 einen Wohnsitz in München habe und seit Mai 2005 unter der Anschrift "B. Straße " wohnhaft sei.

Daraufhin gab das AG Magdeburg das Verfahren wiederum an das AG München zurück, das die Akten zur gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit gem. § 36 ZPO zunächst dem unzuständigen OLG München und sodan...

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