Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung, der annähernd drei Monate nach Eingang der Anklage liegt, ist in einer Haftsache - ohne nähere Begründung -insbesondere bei einem geständigen Angeklagten nicht hinnehmbar.
Verfahrensgang
LG Dessau (Entscheidung vom 31.05.2011; Aktenzeichen 6 Qs 539 Js 5922/11 (112/11)) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 6. großen Strafkammer - Beschwerdekammer - des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 31. Mai 2011 (6 Qs 539 Js 5922/11 (112/11)) aufgehoben.
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom 15. März 2011 (11 Gs 539 Js 5922/11 (132/11)) in der Fassung des Beschlusses des Amtsgerichts BitterfeldWolfen vom 05. Mai 2011 (11 Gs 539 Js 5922/11 (112/11)) wird aufgehoben.
Der Beschuldigte ist in dieser Sache sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
Gründe
I.
Der Angeklagte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 15. März 2011 (11 Gs 132/11) seit seiner am gleichen Tage erfolgten Festnahme in Untersuchungshaft.
Mit diesem - mit Beschluss vom 09. Mai 2011 erweiterten - Haftbefehl des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 15. März 2011 wird dem Angeklagten - entsprechend der am 11. April 2011 erhobenen Anklage - achtfacher gewerbsmäßiger Betrug gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Ziffer 1, 53 StGB, mit einem Gesamtschaden von ca. 8.500, - Euro zur Last gelegt.
Der Haftbefehl ist auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs.1 Nr. 2 StPO gestützt.
Die gegen die Entscheidung über die Fortdauer der Haft eingelegte Beschwerde des Verurteilten hat das Landgericht verworfen und auf die weitere Beschwerde die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 12. Mai 2011 die Anklage der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.
Zugleich hat es mit Verfügung vom gleichen Tage Termin zur Hauptverhandlung auf den 03. August 2011 anberaumt.
Die gemäß § 310 Abs. 1 StPO zulässige weitere Beschwerde des Angeklagten hat Erfolg.
Zwar ist der Angeklagte der ihm durch Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau vom 11. April 2011 zur Last und dem erweiterten Haftbefehl zu Grunde gelegten Taten allein schon aufgrund seines - richterlichen - Geständnisses vom 15. März 2011 dringend verdächtig.
Dessen ungeachtet ist der Haftbefehl jedoch aufzuheben, weil weder ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO, noch nach § 112 a Abs. 1 StPO besteht.
Der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ist nicht gegeben. Ein solcher besteht dann, wenn die Würdigung der Umstände des Falles es wahrscheinlicher machen, dass sich der Angeklagte dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Dabei erfordert die Beurteilung der Fluchtgefahr die Berücksichtigung aller Umstände des Falles, insbesondere der Art der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat/en, seiner Persönlichkeit, seiner Lebensverhältnisse, seines Vorlebens und seines Verhaltens vor und nach der Tat (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 112 Rz. 17, 19.
Danach ist von einer Fluchtgefahr nach dem jetzigen Sachstand nicht auszugehen. Dem Angeklagten droht auch im Falle des Schuldspruchs keine so hohe Freiheitsstrafe, dass schon die Straferwartung die Fluchtgefahr zu begründen vermag. Weitere Umstände von Gewicht, die einen Fluchtanreiz begründen oder erhöhen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO liegt ebenfalls nicht vor. Der Angeklagte hat ein Geständnis abgelegt.
Schließlich scheidet auch der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112 a Abs. 1 Nr.2 StPO aus.
Zwar gehört der gewerbsmäßige Betrug gemäß § 263 StGB zu dem Katalog der Straftaten, die in § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO aufgeführt sind. Vermögensschäden im Einzelfall zwischen 500, - und 2.000, - Euro begründen jedoch nicht den erforderlichen Schweregrad für eine Anlasstat i.S.d. Bestimmung (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010 - 3 Ws 161/10 -).
Der Beschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 31. Mai 2011 und der Haftbefehl des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom 15. März 2011 in der erweiterten Fassung waren daher aufzuheben.
Der Senat weist darauf hin, dass der Haftbefehl auch bei Annahme eines Haftgrundes der Aufhebung anheimgefallen wäre, weil das Verfahren nach Erhebung der öffentlichen Klage mit Anklageschrift vom 11. April 2011 nicht mehr in einer dem Beschleunigungsgebot genügenden Weise gefördert worden ist. Bereits die Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung, der annähernd drei Monate nach Eingang der Anklage liegt, ist in einer Haftsache - ohne nähere Begründung - nicht akzeptabel, zumal bei einem geständigen Angeklagten. Dass die Akten erst einen Monat nach Erhebung des Rechtsmittels der weiteren Beschwerde dem Senat zugeleitet wurden, sei nur am Rande vermerkt.
Fundstellen
Haufe-Index 3957817 |
NStZ-RR 2013, 49 |
StV 2012, 353 |
StraFo 2011, 393 |