Leitsatz (amtlich)
Der für den Insolvenzverwalter ein Treuhandkonto führenden Bank kann das rechtliche Interesse an einer Einsicht der Insolvenzakten nicht abgesprochen werden.
Tenor
Der Beschluss des Antragsgegners vom 26.4.2010 wird aufgehoben.
Der Antragsgegner hat das Akteneinsichtsgesuch der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu bescheiden.
Der Geschäftswert dieses Verfahrens beträgt 3.000 EUR.
Gründe
A. Das AG Stendal hat am 16.1.2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der weiteren Beteiligten zu 1. eröffnet und den Diplom-Kaufmann F. L. aus St. zum Verwalter bestellt (Geschäftsnummer 7 IN 506/03). Dieser ließ bei der Antragstellerin ein Treuhandkonto führen und übertrug ihr die Verwaltung zur Masse gehörender liquider Mittel. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn, der Antragstellerin dafür ein überhöhtes Entgelt versprochen und mit ihr vereinbart zu haben, dass ein Teil dieses Entgeltes ihm persönlich zufließen solle. Dies nahm das AG zum Anlass, ihn am 10.2.2010 aus dem Amt des Insolvenzverwalters zu entlassen und an seiner Stelle den weiteren Beteiligten zu 2. als Verwalter einzusetzen. Der weitere Beteiligte zu 2. hält den Vermögensverwaltungsvertrag für insolvenzzweckwidrig und daher für unwirksam und beabsichtigt, das bislang gezahlte Entgelt von der Antragstellerin zurückzufordern.
Die Antragstellerin hat den Antragsgegner am 15.3.2010 gebeten, in die Insolvenzakten Einsicht nehmen zu dürfen. Sie befürchtet neben dem Verlangen nach Rückzahlung des Entgeltes auch Schadensersatzforderungen und möchte aus den Akten zum Zwecke der Beurteilung der Ansprüche des Weiteren Beteiligten zu 2. in Erfahrung bringen, ob der frühere Insolvenzverwalter "Zustimmungserfordernisse des § 149 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 InsO" eingehalten habe. Der weitere Beteiligte zu 2. hat der Akteneinsicht durch die Antragstellerin widersprochen.
Durch Beschluss vom 26.4.2010 hat der Antragsgegner das Gesuch der Antragstellerin zurückgewiesen, weil ihr das erforderliche rechtliche Interesse an der Akteneinsicht fehle.
Die Entscheidung ist der Antragstellerin am 30.4.2010 zugestellt worden. Sie hat am 5.5.2010 bei dem AG ein als Erinnerung bezeichnetes Rechtsmittel dagegen eingelegt, mit dem sie ihr Akteneinsichtsgesuch weiter verfolgt. Das AG hat die Eingabe als sofortige Beschwerde angesehen und die Sache dem LG Stendal zur Entscheidung vorgelegt. Von dort aus sind die Akten zuständigkeitshalber hierher weitergeleitet worden, weil es um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Justizverwaltungsaktes gehe. Seit dem 18.5.2010 liegen die Akten mit der Rechtsmittelschrift dem OLG vor.
B. Die Erinnerung der Antragstellerin ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Versagung der Akteneinsicht gem. § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG auszulegen. Benennt ein Beteiligter, wie hier die Antragstellerin, das Rechtsmittel, dessen er sich bedienen will, nicht mit dem einschlägigen gesetzlichen Begriff, beschreibt er es aber zumindest durch die Bezeichnung seines Rechtsschutzzieles und der angegriffenen Maßnahme, so ist regelmäßig anzunehmen, dass er denjenigen Rechtsbehelf wählen wollte, den die Rechtsordnung für das aus seinem Vorbringen zu ersehende Begehren bereit hält (Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rz. 192 m.w.N.).
Dies ist hier der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 23 Abs. 1 und 2 EGGVG), denn die Antragstellerin erstrebt den Erlass eines ihr günstigen Justizverwaltungsaktes. Es geht um das Gesuch einer dritten, nicht selbst am Verfahren beteiligten Person (§§ 299 Abs. 2 ZPO, 4 InsO) um die Gewährung der Einsicht in die Insolvenzakten. Solche Anträge werden durch Verfügung einer Justizbehörde, nämlich des Vorstandes des mit dem Verfahren befassten Gerichtes beschieden. Die Verfügung ergeht zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts einschließlich des Zivilprozessrechts (KG Rpfleger 2008, 510). Die Antragstellerin ist Dritte i.S.d. §§ 299 Abs. 2 ZPO, 4 InsO, weil sie weder Insolvenzgläubigerin, noch anderweitig an dem Insolvenzverfahren beteiligt ist. Dass sie möglicherweise in vertraglichen Beziehungen mit dem Insolvenzverwalter steht, vermittelt ihr nicht die Stellung einer Verfahrensbeteiligten. In ihrer Rechtsmittelschrift hat sie hinreichend deutlich gemacht, dass sie die Versagung der Akteneinsicht nicht hinnehmen und ihr Gesuch mit einem förmlichen Rechtsbehelf weiter verfolgen will.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist vor Ablauf der in § 26 Abs. 1 EGGVG bestimmten Frist von einem Monat nach der Zustellung der angefochtenen Verfügung bei dem OLG eingegangen.
Auch im Übrigen ist der Antrag zulässig. Die Antragstellerin macht geltend, in einem ihr vermeintlich zustehenden Recht auf Akteneinsicht verletzt zu sein (§ 24 Abs. 1 EGGVG). Einem förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren, der zunächst ausgeschöpft werden müsste (§ 24 Abs. 2 EGGVG), unterliegt die Versagung der Akteneinsicht nicht.
Antr...