Leitsatz (amtlich)

Die im Ermessen des Gerichtes stehende Beweisanordnung i.S.d. § 144 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass diese für eine sachgerechte Entscheidung unentbehrlich und insbesondere im Hinblick auf die durch ein schriftliches Sachverständigengutachten erfahrungsgemäß ausgelösten beträchtlichen Kosten auch angemessen und verhältnismäßig erscheint.

Die Anordnung ist jedenfalls ermessensfehlerhaft, wo ein entsprechender Beweisantrag der Partei nicht zulässig ist und z.B. als Ausforschungsbeweis zurückzuweisen wäre.

Hat eine Partei die Grundlagen des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Beklagten noch nicht schlüssig dargelegt und holt das Gericht dennoch ein Gutachten über das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen ein, sind die Kosten nach § 8 GKG zu behandeln.

 

Verfahrensgang

AG Wernigerode (Aktenzeichen 11 F 1394/96)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des AG Wernigerode vom 16.1.2002, Az.: 11 F 1394/96, abgeändert.

Die Gutachterkosten laut Rechnung des Rechtsanwalts/Steuerberaters N.U. vom 25.9.1998 werden niedergeschlagen.

Die Kostenrechnung – A 711 J – des AG Wernigerode vom 31.1.2000, Az.: 11 F 1394/96, EFNR 1224-257758-O, wird hinsichtlich der laufenden Nummer 2 betreffend den Betrag i.H.v. 2.309,40 DM (Zeugen- und Sachverständigenentschädigung) aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die gem. § 5 Abs. 2 GKG zulässige einfache Beschwerde (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 8 GKG, Rz. 65) der Klägerin vom 6.2.2002 (Bl. 171 bis 174, Bd. II d.A.) gegen den Beschluss des AG Wernigerode vom 16.1.2002 (Bl. 161 bis 163, Bd. II d.A.), ist in der Sache erfolgreich.

Denn entgegen der Auffassung des AG in dem angefochtenen Beschluss ist der Antrag der Klägerin vom 28.3.2000 (Bl. 111 bis 112, Bd. II d.A.), die Kosten des Rechtsanwalts N. U. gem. seiner Rechnung vom 25.9.1998 (Bl. 148, 149, Bd. I d.A.) niederzuschlagen, begründet gewesen. Wegen unrichtiger Sachbehandlung durch das AG sind nämlich diese i.H.v. 2.309,40 DM erstatteten Gutachterkosten gem. § 8 Abs. 1 S. 1 GKG nicht zu erheben.

1. Zwar ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen, also auch ohne einen entsprechenden Beweisantritt der Parteien, angeordnet wird (vgl. §§ 144 Abs. 1 S. 1, 273 Abs. 2 Nr. 5 ZPO). So ist hier das AG verfahren, als es mit Beweisbeschluss vom 19.6.1997 (Bl. 98, Bd. I d.A.) die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum unterhaltsrelevanten Einkommen des Beklagten für den Zeitraum 1993 bis 1995 angeordnet hat. Denn entsprechende Beweisanträge der Parteien haben nicht vorgelegen.

Allerdings setzt die im Ermessen des Gerichts stehende Beweisanordnung i.S.d. § 144 Abs. 1 ZPO voraus, dass diese für eine sachgerechte Entscheidung unentbehrlich und insbesondere im Hinblick auf die durch ein schriftliches Sachverständigengutachten erfahrungsgemäß ausgelösten beträchtlichen Kosten auch angemessen und verhältnismäßig erscheint (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 144, Rz. 1 und 2). Die Anordnung ist jedenfalls ermessensfehlerhaft, wo ein entsprechender Beweisantrag der Partei nicht zulässig und, z.B. als Ausforschungsbeweis, zurückzuweisen wäre oder das Gericht, ohne die Parteien darauf hinzuweisen, wegen einer nicht nachvollziehbaren Änderung der rechtlichen Beurteilung von der Verwertung des Beweisaufnahmeergebnisses oder gar von der Durchführung der Beweisaufnahme Abstand nimmt (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 8 GKG, Rz. 18, Stichwort: Beweisaufnahme).

So liegt es hier. Ausweislich der Akte hat nämlich das AG Wernigerode vor Erlass des Beweisbeschlusses vom 19.6.1997 die Parteien nicht ansatzweise darüber aufgeklärt, dass es beabsichtige, ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Beklagten von Amts wegen einzuholen. Hätte aber eine der Parteien einen entsprechenden Beweisantrag gestellt, wäre ein solcher als reiner Ausforschungsbeweis zurückzuweisen gewesen, weil die Grundlagen des unterhaltsrelevanten Einkommens des Beklagten überhaupt noch nicht schlüssig dargelegt waren. Vielmehr hätte das AG die Parteien hierüber aufklären und dafür Sorge tragen müssen (§ 139 ZPO), dass entsprechende Unterlagen des selbstständigen Beklagten zur Akte gereicht worden wären. Entsprechende Hinweise an die Parteien sind jedoch nicht erteilt worden.

Die von Amts wegen mit Beschluss vom 19.6.1997 erfolgte Anordnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte bei richtiger Sachbehandlung durch das AG schon unterbleiben müssen, weil es bei sorgfältiger und ordnungsgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erkannt hätte, dass eine solche Beweisaufnahme nicht nur für die Verschaffung der eigenen richterlichen Sachkunde nicht erforderlich gewesen ist, sondern darüber hinaus ausschließlich auf eine unzulässige Er- und Ausforschung des Einkommens des Beklagten hinauslaufen würde.

2. Hinzu kommt, dass es dem AG im Hin...

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