Leitsatz (amtlich)
Schließt eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, einen Vergleich mit vereinbarter Kostenaufhebung, ist die Staatskasse nicht entsprechend § 31 Abs. 3 S. 1 GKG gehindert die Haftung für die Gerichtskosten beim Gegner nach § 22 GKG geltend zu machen. Dieser wiederum kann die Hälfte hiervon gem. § 123 ZPO gegen die Prozesskostenhilfe habende Partei geltend machen. Da zu dieser Fallgestaltung die Beschwerdegerichte keine einheitliche Meinung vertreten, hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 25.02.2013; Aktenzeichen 4 O 317/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungs-beschluss des LG Dessau-Roßlau vom 25.2.2013 wird zurück-gewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 213,50 EUR.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich im Wege der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfest-setzungsbeschluss des LG Dessau-Roßlau vom 25.2.2013.
Die Parteien haben den zugrunde liegenden Rechtsstreit durch außergerichtlich ausge-handelten und gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich vom 23.11.2012 been-det. Dieser enthält eine Kostenregelung dahin, dass die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Der Beklagten ist für das erst-instanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Das LG hat durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss eine Kostenausgleichung dahin vorgenommen, dass die Beklagte der Klägerin einen Betrag i.H.v. 213,50 EUR zu erstatten hat. Es handelt sich dabei um die Hälfte der von der Klägerin vorgeschossenen Gerichtskosten i.H.v. 427 EUR. Das LG hat zur Be-gründung ausgeführt, der Kostenausgleich sei gem. § 29 Nr. 2 GKG durchzuführen. Die abweichende Regelung nach § 31 Abs. 3 S. 1 GKG betreffe nach dem eindeutigen Ge-setzeswortlaut nur den Entscheidungsschuldner (§ 29 Nr. 1 GKG).
Die Beklagte meint, sie dürfe angesichts der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nicht auf dem Umweg der Kostenfestsetzung für die Kosten der Gegenseite zur Tra-gung der Gerichtskosten mit herangezogen werden. Die vom LG vorgenommene Unterscheidung zwischen Übernahmeschuldner und Entscheidungs-schuldner dürfe jedenfalls dann nicht vorgenommen werden, wenn der Übernahme-schuldner nicht solche Kosten übernommen habe, welche eine nicht bedürftige Partei nach der Lage des Rechtsstreits nicht übernommen haben würde. Sofern die Über-nahme dem "üblichen Bild" von Obsiegen und Unterliegen entspreche, dürfe nicht zwischen Übernahmeschuldner und Entscheidungsschuldner unterschieden werden.
II. Die gem. § 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach der Regelung in § 123 ZPO, wonach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu ersetzen, keinen Einfluss hat, kann die Klägerin von der Beklagten trotz für sie erfolgten Bewilligung von Prozess-kostenhilfe die Erstattung der ihr entstandenen Kosten verlangen und die von ihr ver-auslagten Gerichtskosten angesichts der Kostenregelung in dem Vergleich vom 23.11.2012 zur Hälfte im Wege der Kostenausgleichung gem. § 106 ZPO gegen die Beklagte festsetzen lassen.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zugunsten der Beklagten hat gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) ZPO dazu geführt, dass die Staatskasse trotz der Kostenregelung in dem Vergleich keine Gerichtskosten gegen sie ansetzen konnte. Die Schlusskostenrechnung des LG vom 17.12.2012 sieht deshalb eine Verrech-nung des von der Klägerin gezahlten Vorschusses von 1.281 EUR mit den nach dem Vergleichsabschluss auf 427 EUR reduzierten Gerichtskosten (1,0 Gebühr gem. Nr. 1211 Anl. 1 zum GKG) vor. Der Überschuss von 854 EUR ist an die Klägerin ausgezahlt worden. Diese hat die nach dem Vergleichsabschluss verbliebenen Gerichtskosten daher zunächst allein getragen. Ihre Kostenhaftung beruht insoweit auf § 22 Abs. 1 GKG.
Dem Regress der Klägerin gegen die Beklagten gem. § 123 ZPO steht auch nicht ent-gegen, dass die Staatskasse gegenüber einem Entscheidungsschuldner nach Bewilli-gung von Prozesskostenhilfe für dessen Gegner nach § 31 Abs. 3 S. 1 GKG gehindert wäre, dessen Kostenhaftung geltend zu machen, so dass mangels eigener Kostenhaftung in einer solchen Konstellation dann auch kein Kostenregress gem. § 123 ZPO gegenüber der bedürftigen Partei möglich wäre. Denn die Privilegierung in § 31 Abs. 3 S. 1 GKG ist ausdrücklich auf den Entscheidungsschuldner (§ 29 Nr. 1 GKG) be-schränkt und gilt nicht für denjenigen, der die Kostenlast ganz oder teilweise im Ver-gleichswege übernommen hat. Eine Erstreckung der Regelung in § 31 Abs. 3 S. 1 GKG im Wege der Analogie auch auf den Übernahmeschuldner kommt nicht in Betracht, da es insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (vgl...