Leitsatz (amtlich)
Bei den in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Ost - und Westanrechten handelt es sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Wertentwicklung nicht um Anrechte gleicher Art i.S.v. § 18 Abs. 1 VersAusglG. Eine Gesamtbetrachtung dieser nicht gleichartigen Rechte findet nicht statt.
Liegen bei gleichartigen Rechten die Voraussetzungen nach § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht vor, so schließt dies bezogen auf ein Einzelrecht den Ausschluss nach § 18 Abs. 2 nicht aus. § 18 Abs. 1 VersAusglG kommt gegenüber Abs. 2 der Vorschrift keine Sperrwirkung zu.
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 gegen den Beschluss des AG -Familiengericht- Haldensleben, Zweigstelle Wolmirstedt, vom 5.8.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten Ziff. 2 auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 2.207,70 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG den zuvor nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG i.V.m. § 628 (a.F.) ZPO abgetrennten und ausgesetzten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt und dabei die beiden Anrechte der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung (Ausgleichswerte: 0,1614 Entgeltpunkte West und 0,3075 Entgeltpunkte Ost) gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG ausgenommen.
Gegen diese ihr am 17.8.2011 zugegangene Entscheidung wendet sich die Beteiligte Ziff. 2 mit ihrer am 7.9.2011 beim AG eingegangenen Beschwerde. Sie meint, weil auch der Antragsgegner ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung (Ausgleichswert: 1,1937 Entgeltpunkte Ost) erworben habe und die Differenz der beiden Ostanrechte nicht geringfügig sei, so dass sie nicht nach § 18 Abs. 1 VersAusglG vom Versorgungsausgleich auszunehmen seien, dürfe eine Bagatellprüfung gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht stattfinden. Zumindest ergebe sich aber bei zutreffender Ermessensausübung, dass die Einzelanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausgeschlossen werden dürften.
II. Auf das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RefG, §§ 50 Abs. 1 Ziff. 2, 48 Abs. 2 Ziff. 1 VersAusglG das seit dem 1.9.2009 geltende materielle und Verfahrensrecht anzuwenden.
Die Beschwerde ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Entscheidung des AG ist nicht zu beanstanden; sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 18 VersAusglG.
Es ist kein Grund ersichtlich, der den Ausgleich der Anrechte der Antragstellerin bei der Beteiligten Ziff. 2 mit einem korrespondierenden Kapitalwert von lediglich 966,26 EUR und 1.556,54 EUR angezeigt sein lässt. Insbesondere werden derartige Gründe von den beteiligten und geschiedenen Eheleuten nicht vorgetragen.
Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Vorschrift des § 120f SGB VI die Auffassung, dass es sich bei in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Ost- und Westanrechten aufgrund ihrer unterschiedlichen Wertentwicklung nicht um Anrechte gleicher Art i.S.v. § 18 Abs. 1 VersAusglG handelt (vgl. z.B. Beschlüsse vom 13. und 30.9.2010 - 8 UF 158/10 und 8 UF 180/10; a.A. z.B. OLG Oldenburg, Beschl. v. 7.9.2010 - 14 UF 96/10 m.w.N. -veröffentlicht in juris). Deshalb können die Einzelanrechte - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auch nicht als Einheit betrachtet wer-den, was die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 2 VersAusglG ausschließen würde, sobald -wie hier- beide Eheleute Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hätten [so aber z.B. OLG Celle (FamRZ 2010, 979) und OLG Koblenz (Beschl. v. 21.7.2010 - 11 UF 404/09 - veröffentlich in juris)].
Eine teilweise nach (vorrangiger) Prüfung des § 18 Abs. 1 VersAusglG angenommene Sperrwirkung gegenüber § 18 Abs. 2 VersAusglG besteht nach Auffassung des Senats nicht (so aber z.B. OLG München, Beschl. v. 1.4.2010 - 4 UF 78/10 - veröffentlicht in juris). Vielmehr findet Abs. 2 dieser Vorschrift uneingeschränkt neben Abs. 1 Anwen-dung. Sowohl bei geringer Differenz der Ausgleichswerte gleichartiger Anrechte als auch bei Geringfügigkeit des einzelnen Anrechts soll ein Ausgleich grundsätzlich unterbleiben, beide Ausschlussgründe finden nebeneinander Anwendung. Für dieses Verständnis der Vorschrift sprechen Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelung und auch der Abs. 3, in dem ohne jede Einschränkung für beide Ausschließungsfälle der Begriff der Geringfügigkeit definiert ist. Zwar ist Abs. 1 vorrangig gegenüber Abs. 2 zu prüfen, um zu vermeiden, dass bei Geringfügigkeit nur eines der gleichartigen Anrechte die Möglichkeit verschlossen wird, unter Anwendung von Abs. 1 beide Anrechte wegen der geringen Ausgleichsdifferenz vom Ausgleich auszunehmen; die allgemein angenommene Vorrangigkeit des Abs. 1 hat mithin - entgegen der Auff...