Leitsatz (amtlich)
Nach Abschluss des Verfahrens kann Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich nur dann bewilligt werden, wenn zu diesem Zeitpunkt der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vollständig vorliegt, das heißt insbesondere auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst der erforderlichen Belege. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht seiner Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 ZPO nicht nachgekommen ist.
Verfahrensgang
AG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 20.06.2014; Aktenzeichen 3 F 266/14) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Dessau-Roßlau vom 19.6.2014, erlassen am 20.6.2014 - 3 F 266/14 VKH 2, abgeändert und der Antragsgegnerin für die Rechtsverteidigung in erster Instanz ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. H. aus D. zu ihrer Vertretung bewilligt.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die gem. §§ 76 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Dessau-Roßlau vom 19.6.2014 ist in der Sache begründet, denn das AG hat der Antragsgegnerin zu Unrecht die begehrte Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverteidigung im erstinstanzlichen Eilverfahren betreffend die elterliche Sorge für die minderjährigen Kinder Lana und Laia Würzberg deshalb versagt, weil diese sich nicht hinreichend zu ihrer Bedürftigkeit erklärt habe.
Dem AG ist zwar insoweit beizupflichten, dass der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe regelmäßig bei Abschluss des Verfahrens vollständig vorliegen muss, d.h. also auch mit der nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 76 FamFG geforderten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechender Belege, und dass auch die gerichtliche Beauflagung zu ergänzenden Angaben, deren Glaubhaftmachung oder eidesstattliche Versicherung pp. nach § 118 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 76 FamFG regelmäßig bereits das Vorliegen einer Erklärung nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO verlangt. Auch besteht grundsätzlich keine allgemeine Verpflichtung des Gerichts zur Verschaffung von Verfahrenskostenhilfe und eine sich etwaig hieraus ergebende Pflicht zur Erteilung von Hinweisen im Hinblick auf noch fehlende Unterlagen und Hinweise zur Vervollständigung des Verfahrenskostenhilfeantrags, da dies gegen die Verpflichtung des Gerichts zur Unparteilichkeit verstieße (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.4.2012 - 12 Ta 28/11, Rz. 12, zitiert nach juris). Indes lässt das AG bei seiner Betrachtung die Besonderheiten des Entscheidungsfalles außer Betracht, die hier nach Ansicht des Senates ausnahmsweise entsprechend § 139 Abs. 1 ZPO einen richterlichen Hinweis auf die noch fehlende Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nebst Belegen erfordert und damit zu einer rechtzeitigen Einreichung der fehlenden Erklärung nebst Belegen geführt hätte.
So wurde die beglaubigte Antragsschrift des Antragstellers vom 23.4.2014 (Bd. I, Bl. 139 ff. d.A.), mit welcher dieser beantragt hatte, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über das Hauptsacheverfahren vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Töchter gerichtlich zu übertragen, der Antragsgegnerin nebst der Terminsladung zum 12.5.2014 erst am 2.5.2014 mit einer beglaubigten Abschrift (Bd. II, Bl. 5 Rs. d.A.) und deren Verfahrensbevollmächtigten mit einfacher Abschrift der Antragsschrift erst am 5.5.2014 zugestellt. Ungeachtet der Frage, ob nicht hier auch von der wirksamen Bevollmächtigung der im Hauptsacheverfahren mit der Vertretung der Antragsgegnerin betrauten Verfahrensbevollmächtigten für das einstweilige Anordnungsverfahren ausgegangen werden musste und demzufolge hier an letztere hätte ausschließlich nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 172 Abs. 1 ZPO hätte die Zustellung erfolgen müssen (vgl. Bd. I, Bl 165 d.A.), ist jedenfalls zu bemerken, dass sich die Antragsgegnerin - nach ihren auch vom AG nicht in Zweifel gezogenen Beschwerdeausführungen - jedenfalls am 5.5.2014 bis unmittelbar vor dem Termin und der Entscheidung des AG am 12.5.2014 im Urlaub befand und demzufolge nach ihrem laienhaften Verständnis wohl zu Recht - auch für das AG erkennbar - davon ausgegangen sein dürfte, mit der Bevollmächtigung ihrer Verfahrensbevollmächtigten im bisherigen Hauptsacheverfahren insgesamt alles Notwendige zu ihrer rechtlichen Vertretung in der gerichtlichen Sorgerechtsangelegenheit veranlasst zu haben. Da - wie dem weiteren Beschwerdevorbringen entnommen werden kann - die Antragsgegnerin infolge ihres Urlaubsaufenthaltes erst kurz vor dem Termin zur Erörterung und Anhörung zurückgekehrt ist und bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr für ihre Bevollm...